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Die Demokratie im Spannungsfeld zwischen Parlamentarismus und Volksabstimmungen.
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Die Globalisierung zeitigt interessante Effekte: Ein Erotomane in Hollywood setzt Frauen unter Druck, die Sache fliegt auf, und rund um die Welt wird man sich des Problems des Machismus bewusst. Ein britischer Minister muss zurücktreten, im EU-Parlament gibt es Missbrauch, und selbst in unserem kleinen Land hat es einen Politiker erwischt. Besonders ekelhaft sind Fälle, wo Vorgesetzte ihre Macht missbrauchen, um fehlenden Charme, Witz und Schönheit zu kompensieren. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe einmal aus so einem Grund einen Direktor gefeuert.
Es gibt auch andere interessante Globalisierungseffekte: Nachdem die Briten eine Volksabstimmung als Grundlage für ihren Austritt aus der Europäischen Union veranstaltet hatten, konnte man schon annehmen, dass vor allem populistische Politiker draufkommen würden, was man alles mit Volksabstimmungen bewirken kann. Schon Kaiser Rudolf sagte einst zu einer protestantischen Delegation, die vorgab, das Volk zu vertreten: "Das Volk, das sind für euch die vielen Nullen, vor die sich gerne einer stellt, der meint, er wäre eine Zahl!"
Heute dient die Berufung auf Volksabstimmungsergebnissen der Aushebelung der parlamentarischen Demokratie. Wenn 52 Prozent der Briten den Austritt aus der EU beschließen, darf sich keiner darum scheren, welche Rechte die 48 Prozent haben, die gegen den Austritt gestimmt haben - die Mehrheit hat gesprochen. Vielleicht wollten einige Prozent nur keine Europafahne, keine Europahymne oder gar ein Europaparlament, in dem beispielsweise Rumänen und Österreicher vertreten sind.
So wie im Vereinigten Königreich haben sich auch in Spanien die Abspaltungsprotagonisten vertschüsst, und der wütende Ministerpräsident Mariano Rajoy hat alles noch schlimmer gemacht. So wie in Großbritannien hat man auch in Katalonien mehr auf Emotionen gesetzt als auf wirtschaftliche Überlegungen. Die Folgen sind aber sowohl im Vereinigten Königreich als auch in Katalonien wirtschaftliche: Abwertung, Abwanderung von Betrieben und steigende Arbeitslosigkeit.
Auch die Kurden im Irak haben eine Volksabstimmung abgehalten, um einen eigenen Staat damit zu begründen. Gott sei Dank sind dort zu befürchtende Folgen bisher ausgeblieben.
In Österreich verzeichnen wir eine starke Neigung einer möglichen Regierungspartei, am Parlament vorbei mit Volksabstimmungen die vielen Reformen, die keiner kennt, durchzusetzen.
Der große Vorteil der parlamentarischen Demokratie besteht ja darin, dass Probleme hin- und hergewälzt werden können und man einen Interessenausgleich suchen kann, während eine Volksabstimmung jede Diskussion gleich dem Fallbeil einer Guillotine beendet.
Und dann gibt es noch einen wichtigen Punkt: Wer trägt die Verantwortung? Beim parlamentarischen System kennt man die Argumente der darin agierenden Parteien, man weiß, welcher Abgeordnete dafür oder dagegen gestimmt hat - bei einer Volksabstimmung hingegen entscheidet bloß eine anonyme Masse.