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Natürlich lässt sich’s, hat man sich erst einmal an den Zustand gewöhnt, auch als Pessimist ganz gut leben, zumal man mit so einer Lebenseinstellung erfahrungsgemäß weit weniger Enttäuschungen ausgesetzt ist oder erliegt als jene, die immerzu nur positiv denken können und jederzeit nur an eine bessere Zukunft glauben wollen. Ein Hauptgrund, Pessimist zu werden und es zu bleiben, ist bekanntlich der unausweichliche Umstand, dass man ständig auf Optimisten stößt, die wieder einmal Unrecht behalten haben.
Erfahrungen und Begegnungen solcher Art sind selbstverständlich privater Natur und, objektiv betrachtet, ob ihrer subjektiven Beschaffenheit keineswegs geeignet, als Basis für ein funktionierendes Gemeinwesen zu dienen. (Denn mit der Subjektivität allein, das wissen sogar die pessimistischsten Einzelgänger, kommt man nicht weit.) Wer zum Beispiel einen Staat gründen will, tut gut daran, Optimismus zu verströmen. Man muss nämlich in guter Verfassung sein, um dem Staat eine gute Verfassung zu geben.
Diese sollte so beschaffen sein, dass die im Staate lebenden Optimisten glücklich über sie sind, und dass unter ihrem Schutze die Pessimisten ein skeptisches Lebensideal hegen dürfen.
Ein konstitutioneller Haupttreffer ist den Gründungsvätern der Vereinigten Staaten von Amerika mit folgender Definition gelungen: „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed, by their Creator, with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty, and the pursuit of Happiness.” („Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückseligkeit.”)
Denn das Glück, nach dem sich naturgemäß alle Menschen sehnen, ist einer der nebulosesten Begriffe überhaupt. Für den einen bedeutet es Glück, einen Lottogewinn zu erzielen, für den anderen, seine Verluste beim Kartenspiel wettzumachen; dieser ist glücklich, weil er eine Frau hat, jene, weil sie keinen Mann mehr hat; manche empfinden es schon als Glück, den Zug noch erreicht zu haben, und manche halten es noch für ein Glück, dass der Einbrecher Opas goldene Uhr übersehen hat.
Angesichts dessen erscheint es als ein kühnes, ja verwegenes Unterfangen, dass das Bischöfliche Gymnasium St. Hemma in Gurk demnächst als erste Schule in Österreich das Pflichtfach „Glück und Persönlichkeitsbildung” einführen wird.Wiewohl die Schulleitung auf den Beistand von oben vertrauen darf, könnte der Teufel im Detail stecken, bzw. im Baustein; denn das Glück in Gurk setzt sich, wie die Direktorin Mag. Anni Lattacher weiß, „aus einzelnen Glücksbausteinen zusammen. Im harmonischen Zusammenwirken von Körper, Seele und Gemeinschaft erfährt man es . . . Der unglückliche Mensch erfüllt nicht, wozu ihn der Schöpfer berufen hat.”
Pessimistisch verlangte Atheisten werden’s dort schwer haben. Und Schüler mit dem Vornamen Hiob auch.