Zum 400. Geburtstag des französischen Philosophen, Mathematikers und Mystikers Blaise Pascal am 19. Juni.
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Blaise Pascal war eine facettenreiche Persönlichkeit des 17. Jahrhunderts: christlicher Mystiker, führender Mathematiker und Physiker seiner Zeit, Kritiker der Philosophie und tiefgründiger Analytiker der menschlichen Existenz. In dem Werk "Pensées" ("Gedanken") bestimmte Pascal das Wesen des Menschen als eine fragile Existenz und verglich sie mit einem "denkenden Schilfrohr". Der in die Welt geworfene Mensch ist zutiefst verunsichert; er weiß nicht, woher er kommt, wohin er geht und welchen Sinn sein Leben hat.
Diese Unsicherheit war das bestimmende Grundgefühl des Gelehrten: "Ich weiß nicht, wer mich in die Welt gesetzt hat, und auch nicht, was die Welt und ich selbst sind. Ich weiß nicht, was mein Körper, meine Sinne, meine Seele und selbst jener Teil meines Ichs sind, der denkt. Alles, was ich erkenne, ist, dass ich bald sterben muss; doch was ich am wenigsten begreife, ist gerade dieser Tod, dem ich nicht entgehen kann."
Aber nicht nur die Fragilität der menschlichen Existenz beunruhigte Pascal; ihn quälte auch der Gedanke an die Position des Menschen angesichts der unendlichen Räume des Weltalls: "Wenn ich die kurze Dauer meines Lebens betrachte, das von der vorhergehenden und der darauffolgenden Ewigkeit aufgesaugt wird, und den kleinen Raum, den ich ausfülle und den ich noch von der unendlichen Unermesslichkeit der Räume verschlungen sehe, die ich nicht kenne und die mich nicht kennen, so gerate ich in Schrecken und erstaune, mich eher hier als dort zu sehen, denn es gibt keinen Grund, warum es eher hier als dort ist, warum jetzt und nicht vielmehr früher."
Nur Gottes Gnade
Geboren wurde Blaise Pascal am 19. Juni 1623 in Clermont-Ferrand. Sein Vater übte das Amt eines Steuereinnehmers aus und war sehr an den Naturwissenschaften interessiert. Er unterrichtete, gemeinsam mit Hauslehrern, das hochbegabte, stets kränkliche Kind; später kamen Lähmungen der Beine und chronische Kopfschmerzen hinzu.
1631 übersiedelte die Familie nach Paris, wo Pascal mit dem Studium der Mathematik begann. Bereits als Zwölfjähriger bewies er die Lehrsätze des griechischen Mathematikers Euklid und verfasste eine Abhandlung über die Geometrie der Kegelschnitte. Mit 19 Jahren entwarf der Jugendliche eine Rechenmaschine, die als Vorläufer des heutigen Computers gilt, um seinen Vater bei den komplizierten Berechnungen der Steuern zu helfen.
In diesen Jahren kam er auch in Kontakt mit Vertretern des Jansenismus. Es war dies eine fundamentalistische Strömung des Katholizismus, die von dem Theologen Cornelius Jansenius von Ypern begründet wurde. Das Zentrum war das Kloster Port-Royal, in dem eine streng nach den Lehren von Augustinus orientierte Theologie gelehrt wurde. Der zentrale Gedanke besteht in der Annahme, dass der Mensch seine Erlösung nicht durch Werke bewirken könne, sondern auf die Gnade Gottes angewiesen sei. Mit dieser These standen die Jansenisten im Gegensatz zur jesuitischen Lehre, die davon ausging, dass die göttliche Gnade und die menschliche Willensfreiheit bei der Erlangung des Seelenheils zusammenwirken.
Der Kontakt mit den Jansenisten hatte zur Folge, dass Pascal sein Leben nach strengen christlichen Maximen ausrichtete. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, weiterhin naturwissenschaftlich-mathematische Studien zu betreiben. So wiederholte er die Vakuum-Experimente des italienischen Physikers Evangelista Torricelli, schrieb eine Einleitung zu einer Abhandlung über die Leere und bewies durch ein Experiment am Puy de Dôme in der Auvergne, dass der Luftdruck von der Höhe des jeweiligen Ortes abhängig ist. Außerdem erarbeitete er die Grundlagen für die Differenzial- und Integralrechnung.
Eine Erleuchtung
In den folgenden Jahren nahm Pascal regen Anteil am gesellschaftlichen Leben und verkehrte in aristokratischen Salons, wo er den Herzog von Roannez kennenlernte, der philosophisch gebildet war und mit dem ihn später eine enge Freundschaft verband. Er war ein gewandter Redner, der sich auch an der Konversation über so oberflächliche Themen wie den Tanz oder das Billardspiel beteiligte.
Dieses gesellschaftliche Leben fand ein jähes Ende durch ein religiöses Erleuchtungserlebnis im Jahr 1654, das Pascal als eine Art von Ekstase erlebte. Auf einem Blatt Papier, dem sogenannten Mémorial, das er in seinen Mantel nähte, versuchte er, dieses Erlebnis zu beschreiben: "Feuer/ Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jacobs - nicht der Philosophen und Gelehrten/ Gewissheit, Gewissheit, Empfinden, Freude, Friede,/ Gott Jesu Christi/ Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich./ Freude, Freude, Freude und Tränen der Freude/ Vollkommene, innige Entsagung".
Dieses ekstatische Erleuchtungserlebnis, das Ähnlichkeit mit mystischen Erfahrungen aufweist, wie sie Juan de la Cruz oder Teresa von Avila beschrieben haben, bedeutete für Pascal die Selbstaufgabe und die absolute Hinwendung zu Gott. Damit verbunden war eine völlige Isolation, weil er das singuläre Erlebnis mit keinem anderen Menschen teilen konnte. Die triumphale Erfahrung der Transzendenz, als Einziger direkten Kontakt zu Gott aufgenommen zu haben, veranlasste Pascal, seinen Mitmenschen, die sich in ihrem Alltagsleben behaglich eingerichtet haben, mit einer gewissen Herablassung zu begegnen.
Diese Arroganz führte Pascal dazu, ein wenig schmeichelhaftes Menschenbild zu entwerfen, das von Arthur Schopenhauer oder Emil Cioran stammen könnte. "Was für eine Schimäre ist der Mensch! Eine Überraschung, ein Ungeheuer, ein Chaos, ein Widerspruch, ein Wunder! Richter über alle Dinge, närrisches Maß alles Irdischen; Gefäß der Wahrheit und Kloake voll Irrtum und Zweifel; die Herrlichkeit und der Auswurf des Universums."
Diese Grundüberzeugung Pascals findet sich auch in den "Pensées" - den "Gedanken", die als sein philosophisches Hauptwerk gelten. Das Werk erschien 1669, sieben Jahre nach seinem Tod. Es handelt sich dabei nicht um ein ausgearbeitetes Manuskript, sondern um eine umfangreiche Sammlung von Aphorismen und kurzen Essays über religiöse und philosophische Themen, die Pascal auf zahllosen Merkzetteln notierte und die von seinen jansenistischen Freunden als Publikation herausgegeben wurden. Nach zeitgenössischen mündlichen Überlieferungen bestand die Intention Pascals darin, vorerst die Unzulänglichkeit und Nichtigkeit des menschlichen Existierens zu beschreiben, um danach ausführlich auf die Wahrheit des christlichen Glaubens hinzuweisen.
Die schreckliche Leere
Die Lage des Menschen ist hoffnungslos, konstatierte Pascal, er ist ein Zerrissener, voller Unruhe; auf der Suche nach Wahrheit und Erfüllung, die er von sich aus jedoch nicht erreichen kann. "Wir sehnen uns nach der Wahrheit und finden in uns nur Ungewissheit. Wir streben nach dem Glück und finden nur Elend und Tod."
Aus Angst, die eigene Leere und Sinnlosigkeit einzugestehen, sucht der Mensch Zerstreuungen in Form von Vergnügungen, wie sie Pascal in den Salons der Aristokratie angetroffen hatte. Jagd, Vergnügungsreisen, Billardspiel und belanglose Konversation sollten die Leere überdecken: "Unfähig, sich zu ertragen, flieht der Mensch um der Flucht willen, er sucht, um zu suchen, jagt, um zu jagen. Will er einen Augenblick ruhen, so befällt ihn die Langeweile wie eine auszehrende Krankheit. Dann spürt er sein Nichts, seine Leere und Verlassenheit." Letztlich steht dahinter die Angst vor dem Alleinsein. "Alles Unglück in der Welt kommt daher, dass man nicht versteht, ruhig in einem Zimmer zu sein", schrieb Pascal.
Eine weitere Defizienz ergibt sich aus der Tatsache, dass die meisten Menschen verlernt haben, in der Gegenwart zu leben. Sie sind entweder auf der "Suche nach der verlorenen Zeit", die sich in der Vergangenheit ereignet hat, oder imaginieren eine bessere Zukunft, in der ihre Erwartungen und Hoffnungen erfüllt werden. "Niemals halten wir uns an die Gegenwart. Wir nehmen die Zukunft vorweg, als käme sie zu langsam, als wollten wir ihren Gang beschleunigen, oder wir erinnern uns an die Vergangenheit, um sie aufzuhalten, da sie uns zu rasch entschwindet. Torheit, in den Zeiten umherzuirren, die nicht unsere sind, und die einzige zu vergessen, die uns gehört."
Frommer Praktiker
Für ungläubige Menschen hatte Pascal ein Angebot parat: die berühmte Wette. Im fiktiven Gespräch mit einem Skeptiker stellt er die Frage: Wenn ich die Existenz Gottes nicht beweisen kann, warum soll ich mich dann dazu entscheiden, an ihn zu glauben?
"Prüfen wir also diesen Punkt. Und sagen wir: Gott ist, oder er ist nicht. Welcher Seite aber werden wir uns zuneigen? Wägen wir Gewinn und Verlust, wenn wir uns für ein Bild entscheiden, dass Gott ist. Schätzen wir diese beiden Fälle ein: Wenn ihr gewinnt, so gewinnt ihr alles, und wenn ihr verliert, so verliert ihr nichts: Wettet also, ohne zu zögern, dass er ist."
Bezeichnend für die vielseitige Persönlichkeit Pascals ist es, dass er trotz seiner gelebten radikalen Frömmigkeit nicht aufhörte, sich mit praktischen Angelegenheiten zu beschäftigen. Ein Projekt bestand darin, in Paris ein Netzwerk von Kutschen zu errichten, das öffentlich zugänglich war und den Fahrgästen half, Zeit zu sparen. Die Kutschen verkehrten ab 1662 auf bestimmten Strecken in regelmäßigen Intervallen. Die Fahrpreisgestaltung erfolgte nach sozialen Aspekten und richtete sich nach dem Einkommen der Benutzer.
Im Juni 1662 verschlechterte sich Pascals körperliches Befinden dramatisch. Er zog sich zurück und verbrachte die letzten Wochen seines Lebens in völliger Hingabe an Gott. Er verstarb am 19. August 1662 im Alter von 39 Jahren. Das Leben Pascals, das er nach seinem mystischen Erleuchtungserlebnis geführt hatte, war von einem Satz geprägt, der lautete: "Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt."
Blaise Pascal: Gedanken. Übersetzt von Ulrich Kunzmann. Kommentar von Eduard Zwierlein. Suhrkamp, Berlin 2012, 459 Seiten, 18,50 Euro.
Nikolaus Halmer, geb. 1958, Mitarbeiter der Wissenschaftsredaktion des ORF; Schwerpunkte: Philosophie, Kulturwissenschaften.