Keiner von ihnen hat geglaubt, dass es ihn einmal trifft. Alle Versöhnungsversuche sind gescheitert. Die Ehe ist nicht mehr zu retten. Mit viel Mühe haben sie sich aufgerafft, alle Unterlagen zusammengesucht, die etwas mit ihrer Zukunft zu tun haben. Angesichts von Steuererklärung, Bausparvertrag, Daueraufträgen, Versicherungspolizzen, Kreditunterlagen usw. fragen sie sich dann: Wie lässt man sich eigentlich scheiden?
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Im Wesentlichen gibt es vier Scheidungsarten:
-Scheidung aus Verschulden (§§ 47 - 49 EheG)
-Scheidung aus anderen Gründen (§§ 50 - 52 EheG)
-Scheidung wegen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft (§ 55 EheG)
-Einvernehmliche Scheidung (§ 55a EheG)
Die Verschuldensscheidung
Eine Scheidung aus Verschulden setzt voraus, dass ein Partner schuldhaft eine schwere Eheverfehlung (= Scheidungsgrund) gesetzt hat und dadurch die Ehe so tief zerrüttet wurde, dass die Wiederherstellung einer intakten Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten ist. Die Verschuldensscheidung setzt also einen Scheidungsgrund und die Zerrüttung der Ehe voraus. Klassiker unter den Scheidungsgründen sind: Verletzung der Treuepflicht (z.B. Ehebruch), Verletzung der Beistandspflicht, Vernachlässigung der Haushaltsführung, Verletzung der Unterhaltspflicht und böswilliges Verlassen. Eine Verschuldensscheidung ist ausgeschlossen, wenn der andere Partner die Eheverfehlung verziehen hat oder selbst eine Eheverfehlung beging, die jene seines Gatten erst auslöste. Solche Reaktionshandlungen müssen in einem zeitlichen und ursprünglichen Zusammenhang mit der Eheverfehlung stehen.
Außerdem erlischt das Recht auf Verschuldensscheidung, wenn der verletzte Partner nicht innerhalb von sechs Monaten die Scheidungsklage einreicht. Die Frist beginnt mit Kenntnis des Scheidungsgrundes. Unabhängig von dieser Kenntnis besteht eine absolute Frist von zehn Jahren. Erfährt Julia, dass Romeo sie bereits vor zwanzig Jahren mit ihrer besten Freundin betrogen hat, kann sie sich deswegen nicht mehr scheiden lassen.
Scheidung aus
anderen Gründen
Scheidung aus "anderen" Gründen kann verlangt werden, wenn die unheilbare Zerrüttung der Ehe durch unverschuldete Umstände herbeigeführt wurde (z.B. Geisteskrankheiten, ansteckende und Ekel erregende Krankheiten). Wenn aber das gestörte Verhalten durch eigene Eheverfehlungen des Scheidungswilligen ausgelöst wurde, sich der Gatte die Krankheit bei einer Opfertat für seinen Partner zuzog oder die Scheidung für den kranken Partner eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde, ist die Scheidung ausgeschlossen.
Gegen die Scheidungsklage des gesunden hat der kranke Partner ein Widerspruchsrecht (Härteklausel). Dieses Widerspruchsrecht besteht nicht, wenn die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten seit mindestens sechs Jahren aufgehoben ist.
Aufhebung der häuslichen
Lebensgemeinschaft
Ist die häusliche Gemeinschaft seit mindestens drei Jahren aufgehoben, kann jeder Ehegatte die Scheidung verlangen. Allein die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft begründet die Vermutung der unheilbaren Zerrüttung. Scheidung wegen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft kann jeder Ehegatte verlangen - also auch derjenige, der eine Eheverfehlung gesetzt hat. Würde bspw. Romeo seine Ehefrau Julia verlassen und zu seiner Freundin Barbie ziehen, kann auch er nach drei Jahren die Scheidungsklage einbringen.
Die auf Scheidung geklagte Julia kann sich mit Widerspruch gegen die Scheidung wehren. Erfolgreich wird sie damit aber nur sein, wenn Romeo die Scheidung allein oder überwiegend verschuldet hat und Julia die Scheidung härter trifft, als Romeo die Aufrechterhaltung der Ehe.
Nach sechsjähriger Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft kann die Scheidung nicht mehr verhindert werden. Nach einer so langen Trennung besteht kein Widerspruchsrecht. Auch in diesem Fall muss eine Scheidungsklage eingebracht werden. Dass eine Ehe nach drei- bzw. sechsjähriger Trennung automatisch geschieden sei, ist ein weit verbreiteter und kaum auszurottender Irrglaube.
Einvernehmliche Scheidung
Neben den drei bisher vorgestellten Scheidungsarten gibt es noch die einvernehmliche Scheidung. Diese setzt voraus, dass die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens sechs Monaten aufgehoben ist. Darüber hinaus müssen beide Ehegatten die Scheidung wollen, gemeinsam einen entsprechenden Antrag bei Gericht stellen und sich über die wesentlichen Scheidungsfolgen einig sein. Die Vereinbarung über die wesentlichen Scheidungsfolgen (sog. Scheidungsvergleich) muss dem Gericht entweder vorgelegt oder bei der Scheidungsverhandlung abgeschlossen werden. Sie hat jedenfalls folgende Punkte zu enthalten: Regelung des Ehegattenunterhaltes, der gegenseitigen vermögensrechtlichen Ansprüche, Obsorge und Unterhalt betreffend die gemeinsamen minderjährigen Kinder.
Mit oder ohne Rechtsanwalt ?
Die absolute Anwaltspflicht - wie sie etwa in Deutschland besteht - konnte sich in Österreich bisher nicht durchsetzen. Es bleibt den Scheidungswilligen daher selbst überlassen, ob sie sich einen Anwalt nehmen oder die Angelegenheit allein durchfechten. Bei einvernehmlichen Scheidungen war es bisher zulässig, dass sich beide Ehegatten durch denselben Rechtsanwalt vertreten ließen.
Ab 1. Jänner 2005 ist dies gemäß § 93 Abs 1 AußStrG nicht mehr möglich. Entscheidend ist, wann der Scheidungsantrag bei Gericht einlangt. Geschieht dies nach dem 31. Dezember 2004, verstößt die Vertretung beider Ehegatten durch denselben Anwalt gegen das Doppelvertretungsverbot. n
* Dr. Ingrid Bläumauer ist Rechtsanwältin in Wien. Mehr zum Thema Scheidung erfahren Sie auf ihrer Homepage unter http://www.ra-scheidung.at