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Steuern, Pensionen, Bildung, Gesundheit: Ohne Sozialpartner geht nichts. Leider.
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Glücklich das Land, das eine funktionierende Sozialpartnerschaft sein eigen nennen kann: So schallt es derzeit wieder einmal von fast allen Rängen. Und es stimmt ja auch. Meistens zumindest. Allerdings gilt auch dieser Satz: "Bedauernswert die Demokratie, die eine Sozialpartnerschaft braucht, um grundlegende, aber auseinanderstrebende Interessen zu integrieren." Denn eigentlich wäre genau dies ja die elementarste Aufgabe des Parlaments in einer pluralen Parteiendemokratie.
Österreich ist - zumindest in diesem Sinne - tatsächlich ein glückliches Land und eine bedauernswerte Demokratie. Man kann das eigentlich gar nicht oft genug wiederholen, gerade weil es so gerne aus dem allgemeinen politischen Bewusstsein verdrängt wird. Vor lauter Lobeshymnen auf die Sozialpartnerschaft geraten deren negative Eigenschaften und Folgewirken nur allzu leicht aus dem Blickfeld. Dabei stehen Parlamentarismus und Sozialpartnerschaft für geradezu konträre politische Prinzipien (wobei die politische Praxis damit nicht zwangsläufig übereinstimmen muss) und Verhandlungsmechanismen:
Zentrale Legitimitätsgrundlage des Hohen Hauses ist die öffentliche und transparente politische Willensbildung; das Verhandeln hinter verschlossenen Türen gehört dagegen zu den Erfolgsgeheimnissen der Sozialpartner.
Die Idee (und Theorie) des Parlaments beruht auf der Fiktion der Vertretung aller Bürger zu gleichen Teilen; die Mechanismen der Sozialpartnerschaft sind von Anfang an auf Elitenkoordination hin ausgelegt.
Und während sich die Parteien regelmäßig dem Urteil der Wähler stellen müssen, verschwimmt die politische Verantwortung der Sozialpartner bis zur Unkenntlichkeit. Tatsächlich fungieren Wahlen für Arbeiter-, Wirtschafts- und Landwirtschaftskammern in der Geschichte der Zweiten Republik ausschließlich als Bestätigungsmechanismus bestehender Machtverhältnisse. Dafür sorgen schon die Art des Themensettings und die jeweiligen Wahlordnungen, die sich die jeweils Mächtigen selbst auf den Leib schneidern. Oder einfacher ausgedrückt: Regierungen können die Bürger zumindest theoretisch abwählen, die Sozialpartner nicht einmal das.
All diese Mängel können gleichwohl nicht an der demoskopisch festgestellten Tatsache rütteln, wonach die Österreicher die Sozialpartner mit Vertrauen überschütten. Und das im bemerkenswerten Kontrast zum grassierenden Misstrauen, mit dem sie die Parteien beschenken. Aus dem engen Winkel der Zustimmungsperspektive gesehen machen ÖGB, Wirtschafts- und Arbeiterkammer sehr viel richtig. Was, das lässt sich allerdings nur schwer sagen, wenn man bedenkt, dass fast jeder Mandatar von SPÖ und ÖVP zugleich auch Kammer- oder Gewerkschaftsfunktionär ist.
Zu befürchten ist, dass auch bald
70 Jahre Parlamentarismus in der Zweiten Republik aus SPÖ und ÖVP keine genuin parlamentarischen Parteien gemacht hat. Allen beiden liegt das Verhandeln und Abtauschen von Forderungen und Gegenleistungen hinter verschlossenen Türen bis heute weitaus mehr, als das öffentliche Aushandeln politischer Kompromisse. Höchste Zeit, dass sich das demnächst ändert.