Zum Hauptinhalt springen

Glücklos in der georgischen Heimat

Von Friedemann Kohler

Politik

Tiflis - Von seinen einstigen Höhenflügen in der Weltpolitik ist Eduard Schewardnadse heute weit entfernt. Der frühere sowjetische Außenminister, einer der Väter der deutschen Einheit, amtiert seit elf Jahren eher glücklos als Präsident seiner Heimat Georgien im Kaukasus. In der Hauptstadt Tiflis ist spürbar, dass der Herbst des Patriarchen der georgischen Politik zu Ende geht. Doch ein Nachfolger für den bis 2005 gewählten Schewardnadse, der am Samstag, dem 25. Jänner, 75 Jahre alt wird, ist noch nicht in Sicht.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Als Staatschef residiert Schewardnadse heute wieder in dem Gebäude, von dem aus er seine Weltkarriere begann, im klotzigen früheren Zentralkomitee der KP Georgiens oberhalb der Altstadt von Tiflis. Dort erreichte den am 25. Jänner 1928 geborenen Parteichef 1985 der Ruf nach Moskau: Generalsekretär Michail Gorbatschow brauchte einen Partner für das "Neue Denken" in der sowjetischen Außenpolitik.

Auf "Mister Njet", Andrej Gromyko, folgte Schewardnadse als gewandter und sympathischer Außenminister, der die Konfrontation der Blöcke überwinden half. Der Georgier trug maßgeblich dazu bei, dass Moskau 1990 der deutschen Einheit zustimmte. Gorbatschow und er hätten begriffen, dass die Wiedervereinigung unvermeidlich sei, sagte Schewardnadse später. "Wir haben sehr gut verstanden: Wenn es nicht zur Vereinigung Deutschlands kommt, wird ein neuer Weltkrieg unumgänglich sein."

Als sich der Widerstand konservativer Kommunisten gegen Gorbatschows "Perestroika" (Umgestaltung) bedrohlich zusammenbraute, trat Schewardnadse im Dezember 1990 mit einer dramatischen Warnung vor einer kommenden Diktatur zurück. Nur für eine kurze Wiederkehr wenige Wochen vor Auflösung der Sowjetunion 1991 bezog er noch einmal den Prunkbau des Außenministeriums in Moskau. Danach verknüpfte er sein Schicksal wieder mit seiner Heimat im Süden des Kaukasus-Gebirges.

Im Jänner 1992 wurde der erste Präsident des unabhängigen Georgien, Swiad Gamsachurdia, von seinen früheren Anhängern gewaltsam gestürzt. Schewardnadse kehrte nach Tiflis zurück und wurde in Wahlen 1992, 1995 und zuletzt 2000 als Staatsoberhaupt Georgiens bestätigt. Sein außenpolitisches Ansehen, seine Verbundenheit mit Berlin und Washington sind seit Jahren das einzige Kapital des schönen, aber wirtschaftlich armen Berglandes.

Das Jahrzehnt unter Schewardnadse hat es nicht sehr gut gemeint mit Georgien. 1992 spaltete sich die Teilrepublik Süd-Ossetien ab, die Schwarzmeerprovinz Abchasien ging in Kriegen von 1992 bis 1994 verloren. 300.000 Georgier mussten von dort fliehen. Die grassierende Korruption im Inneren bremste die Entwicklung genauso wie der russische Druck auf den Kaukasus-Staat mit fünf Millionen Einwohnern von außen. Konservative Moskauer Politiker geben dem "Weißen Fuchs" Schewardnadse bis heute die Schuld, dass die Sowjetunion ihr Imperium kampflos aufgegeben hat und ruhmlos zerfallen ist.

Die Menschen auf der Straße in Tiflis legen heute kaum noch ein gutes Wort für ihren Staatschef ein. "Er hat das Land ruiniert", heißt es. Westliche Diplomaten sehen "das Podest des Präsidenten bröckeln", doch eine Alternative zu dem erfahrenen Schewardnadse können sie noch nicht erkennen.