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Glücksrad für die Gasversorgung

Von Dieter Friedl

Wirtschaft

Nur 60 Prozent der Speicherkapazität sind dem heimischem Markt zugeordnet. | Abrufbare Menge war während der Gaskrise am Limit. | Wien. Die jüngste Gaskrise hat in den Köpfen der Österreicher nicht nur die Unsicherheit verstärkt, ob es künftig genügend Gas geben wird, sondern auch, ob es im Ernstfall rasch genug abrufbar sein wird.


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Die heimische Gasversorgung beruht zu rund 50 Prozent auf Gas, das aus Russland über die Ukraine zu uns gelangt, der Rest ist norwegisches und deutsches Gas. De facto hat es aber in den zwei Wochen des Gasstopps keine Versorgungsprobleme gegeben.

Ausschlaggebend war, dass Österreich über recht große heimische Gasquellen verfügt (17 Prozent unseres Bedarfes können damit gedeckt werden) und fünf große Gasspeicher besitzt, die bei Bedarf angezapft werden können.

Gazprom half aus

Da man aber nicht unbeschränkt große Mengen aus den Speichern entnehmen kann (man nennt dies Ausspeicherkapazität), war auch in Österreich die Versorgung ein Grenzfall. Pro Stunde konnten aus den uns zur Verfügung stehenden Gasspeichern und den eigenen Gasvorkommen maximal 1,7 Millionen Kubikmeter ins Netz eingespeist werden, womit man gerade noch über die Runden kam. Auch das gelang nur, weil überraschend der russische Energieriese Gazprom mit 200.000 Kubikmetern aushalf (die er in Österreich gespeichert hatte). Zusätzlich wurden einige heimischen Gaskraftwerke größtenteils auf den Betrieb mit Öl und Kohle umgestellt. Bei "alten" Kraftwerken ist das noch möglich. Beim Gaskraftwerk Mellach, das derzeit gebaut wird und die Riesenmenge von fast einem Fünftel des derzeitigen Gasbedarf benötigen wird, ist diese Umstellungsmöglichkeit nicht vorgesehen.

Beim Erdöl gibt es in Österreich ein Gesetz, dass 25 Prozent des jährlichen Verbrauchs als Notstandslager gehalten werden müssen. Das sind derzeit 3,2 Millionen Tonnen, die bei einer Erdöllagergesellschaft an 40 Standorten (einer sogar in Triest) gebunkert sind. Eine derartige Regelung gibt es bei Gas nicht.

Die offiziellen Zahlen über die Gasspeicherkapazität von mehr als 4 Milliarden Kubikmetern bei einem heimischen Verbrauch von etwa 8 Milliarden Kubikmetern klingen gut, sind es aber in der Praxis nicht. Denn davon entfallen 1,2 Milliarden Kapazität auf den Speicher Haidach. Der gehört zu je einem Drittel der heimischen Rohölaufschließungsgesellschaft (RAG), der deutschen Wingas und der russischen Gazprom - ein Vertrag, der auf 30 Jahre läuft. Wingas hat seine 400.000 Millionen Kubikmeter an eine Reihe ausländischer Händler verkauft, die RAG hat ihre Mengen an Gazprom abgegeben, die somit über 800.000 Millionen verfügt. Gazprom hat versucht, die Speichermengen in Eigenregie zu vermarkten, kam damit aber bei der heimischen Kontrollbehörde nicht durch und muss diese Lagerkapazität nun am freien Markt anbieten, wobei davon auszugehen ist, dass Gazprom einen Teil für sich "ersteigern" wird.

Der Speicher Haidach ist zwar mit einer Pipeline an die zentrale Gasstation in Baumgarten angebunden, über die das russische Gas über die Ukraine nach Österreich fließt und von dort über einige Pipelines verteilt wird. Es ist bisher aber nicht möglich, von Haidach Gas ins österreichische Netz zurückfließen zu lassen, weil dafür entsprechende technische Vorrichtungen fehlen.

Das Gas kann nur in Richtung Deutschland abfließen. Bei der jüngsten Gaskrise stellte sich jedoch heraus, dass es eine Möglichkeit gibt, über das deutsche Gasnetz Haidach-Gas wieder nach Österreich zurückzubringen, womit die oben genannten 200.000 Kubikmeter pro Stunde, die Gazprom zur Verfügung stellte, ins österreichische Gasnetz aufgenommen werden konnten. Grundsätzlich stehen aber die Haidach-Mengen Österreich nicht zur Verfügung. Das gilt auch für den weiteren Speicher-Ausbau.

Aber auch jene Mengen, die in den OMV-Speichern lagern, kommen nur zum Teil auf den österreichischen Markt, denn rund 400.000 Millionen von etwa 2 Milliarden wurden von deutschen und slowenischen Händlern gebucht. Unter dem Strich sind also nur rund 60 Prozent der heimischen Speicherkapazität für den österreichischen Markt abrufbar.

Die Versorgung Österreichs wird mit einer Reihe von Gaspipelines sichergestellt. Die bei weitem größte ist die Trans-Austria-Gasleitung (TAG), die Richtung Süden geht und vor allem den italienischen Markt bedient. Das Problem ist, dass diese Leitung Gas nur in eine Richtung fließen lässt; das heißt, im Krisenfall ist der Gasfluss nicht umkehrbar. Dies könnte zwar mit geringen Investitionen geändert werden, was bisher aber nicht erfolgte.

Dreh mit dem Glücksrad

Nach Westen gibt es die West-Austria-Gasleitung (WAG), die in beide Richtungen funktioniert. Kleinere Stichleitungen gibt es Richtung Ungarn und seit neuestem auch in die Slowakei - diese Leitung wurde bisher von den Slowaken verhindert, die Gaskrise führte hier zu einem Umdenken.

Wie seltsam das Gasgeschäft verlaufen kann, zeigt sich der bei der von Italien dominierten TAG-Pipeline. Die italienischen Eigentümer sträubten sich, die Kapazität der Pipeline zu erhöhen, wurden aber von der heimischen Kontrollbehörde "überredet", die Kapazität durch den Einbau von zwei zusätzlichen Kompressorstationen von 41 auf 47 Milliarden Kubikmeter zu erhöhen.

Heuer im Sommer wurde ein Teil der Zusatzmengen wegen der großen Nachfrage im Rahmen einer Lotterie an internationale Händler versteigert. Ein dafür benötigtes Glücksrad wurde von der österreichischen Lotterie angemietet.