Bundesanwalt fordert Aussetzung der Reststrafe. | Schleyer-Witwe gegen Begnadigung. | Berlin. Soll die zu "fünfmal lebenslänglich" verurteilte RAF-Terroristin und neunfache Mörderin Brigitte Mohnhaupt nach vierundzwanzig Jahren Haft auf Bewährung freikommen? Soll auch ihr Komplize Christian Klar vom Bundespräsidenten begnadigt werden?
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Diese Fragen werden in Deutschland derzeit leidenschaftlich und kontrovers diskutiert. Die Wogen gehen hoch, weil Erinnerungen an ein düsteres Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte wach werden. Der Terrorismus der Rote Armee Fraktion (RAF) hatte damals die Bundesrepublik in ihren Grundfesten erschüttert.
Auch heute steht der Staat vor einem Dilemma: Soll man den Terroristen von damals eine "zweite Chance" geben? Und wie werden sie diese nutzen? Wie viel Gnade vor Recht darf ein demokratischer Rechtsstaat nach einem Vierteljahrhundert walten lassen?
Im Fall Brigitte Mohnhaupt (57) gab es an diesem Montag eine Anhörung, bei der sogar die Bundesanwaltschaft die Aussetzung der Strafe zur Bewährung forderte. Mit einer Entscheidung des Gerichts ist in den ersten Wochen des Februars zu rechnen.
Mohnhaupt war 1985 wegen ihrer Beteiligung an neun Morden, darunter an Generalbundesanwalt Siegfried Buback, am Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto und an Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer, zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Im Jahre 2006 hatte das Oberlandesgericht eine vorzeitige Entlassung noch mit der Begründung abgelehnt, die besondere Schwere der Schuld gebiete eine weitere Strafvollstreckung. Die Mindestverbüßungsdauer wurde auf 24 Jahre festgesetzt, die nun abgesessen sind, wenn man die Untersuchungshaft mitrechnet.
Gnade als Zeichen staatlicher Stärke
Unterdessen mehren sich auch Forderungen nach Begnadigung von Christian Klar (55). Klar und Mohnhaupt gehörten zu den führenden Köpfen der zweiten Generation der Roten Armee Fraktion.
Befürworter der vorzeitigen Entlassungen argumentieren, es sei ein Zeichen der Stärke, wenn der Staat sich nach so langer Zeit mit seinen Feinden versöhne. Zudem sei es wohlgeübte Praxis, auch dem schlimmsten Verbrecher eine zweite Chance einzuräumen, sofern von ihm keine Gefahr für die Allgemeinheit mehr ausgehe. Und damit sei angesichts des Alters und der langen Haftdauer der Betroffenen, sowie der Auflösung der RAF kaum zu rechnen. Bei Mohnhaupt gehe es auch nicht um einen Gnadenakt, weil sie alle Voraussetzungen des Strafgesetzbuches erfülle. Sollte sich diese Meinung durchsetzen, könnte sie im März entlassen werden.
Die 90-jährige Witwe von Hanns-Martin Schleyer lehnt dies vehement ab. Weitaus differenzierter äußerte sich der Sohn des ermordeten Bundesanwaltes, Michael Buback. Er begrüße es, dass nicht die Angehörigen der Opfer über solche Gnadenakte entscheiden. Er würde sich aber wünschen, dass die immer noch nicht restlos geklärten Tatumstände endlich aufgedeckt werden und die Täter wenigstens Reue zeigten.
Während die veröffentlichte Meinung ziemlich unisono für die Freilassung der beiden Ex-Terroristen eintritt, kommen besorgte Stimmen aus dem Unions-Lager, insbesondere aus der CSU: Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber wies darauf hin, dass beide Täter bisher keine Reue gezeigt hätten. "Nicht der Staat schuldet den RAF-Terroristen ein Signal der Versöhnung, sondern die Terroristen müssen zunächst einmal ihre Taten ehrlich bedauern und sich zum Rechtsstaat bekennen". Auch sollten Mohnhaupt und Klar die Angehörigen ihrer Opfer um Verzeihung bitten.