Unter dem Deckmantel von "öffentlichen Investitionen" die Staatsausgaben weiter zu erhöhen, kann das Wachstums- und Beschäftigungsproblem in der Eurozone nicht lösen.
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"Mehr öffentliche Investitionen" lautet der aktuelle Schlachtruf der Gegner fest verankerter Budgetregeln zur Begrenzung von Budgetdefiziten und Verschuldungsobergrenzen. Dazu zählen die Maastricht-
Kriterien ebenso wie diverse nationale "Schuldenbremsen". Natürlich unter Berufung auf den Übervater John Maynard Keynes, der zwar öffentliche Ausgabenprogramme zum Ausgleich von Konjunkturschwankungen befürwortete, aber sicher kein permanentes "deficit spending" bis zum drohenden oder tatsächlichen Staatsbankrott.
Wie also angesichts der Budgetzwänge zusätzliche öffentliche Ausgaben finanzieren? Durch einen einfachen Trick, genannt "Goldene Investitionsregel": die Herausnahme öffentlicher Investitionen aus der Berechnung von Defiziten und Staatsschulden. Dabei wird der Begriff "öffentliche Investitionen" sehr weit und damit willkürlich interpretiert. Es handelt sich nicht nur um klassische Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, sondern auch um Wohnbau und Ausgaben für "Zukunftsinvestitionen" in das Bildungssystem, das Sozialsystem, die ökologische Nachhaltigkeit und vieles mehr.
Nun ist es sinnvoll, ja sogar die Voraussetzung für die langfristige Wohlstandssicherung, vermehrt Investitionen in die wirtschaftliche Zukunft zu tätigen, um das Wachstumspotenzial zu erhöhen und nachhaltig Beschäftigung zu schaffen. Zu Recht ist die traditionelle Unterscheidung in materielle öffentliche Investitionen und öffentlichen Konsum, überwiegend Personalkosten, als überholt abzulehnen. Zusätzliche Ausgaben für das öffentliche Forschungs- und Bildungssystem sind weitgehend Ausgaben für Lehrende und Forschende und für die Umsetzung der notwendigen Strukturreformen. Umgekehrt mag der Bau von Pflegeheimen und Wohnungen durchaus wünschenswert sein, mit der Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft hat er aber nichts zu tun.
Die öffentliche Verschuldung der Länder der Eurozone beträgt rund 95 Prozent des BIP. Ein weiterer Anstieg über die 100-Prozent-Schwelle könnte das mühsam zurückgewonnene Vertrauen der Finanzmärkte massiv erschüttern und eine neue Verschuldungskrise auslösen - mit unabsehbaren Folgen vor allem für die schwächeren Euroländer. Die "Goldene Investitionsregel" wäre nichts anderes als ein Freibrief, sich weiter massiv unter dem Etikett "investive Staatsausgaben" zu verschulden und dem Zwang zu entziehen, ihre Wettbewerbsfähigkeit durch entsprechende Strukturreformen wiederherzustellen.
Die Lösung des Wachstums- und Beschäftigungsproblems kann nur darin bestehen, große EU-Projekte wie die Realisierung des Energie- und des digitalen Binnenmarktes, den Ausbau der dazu notwendigen Smart Grids, die Umsetzung einer industriellen Innovationsoffensive oder die Verbesserung der kapitalmarktbasierten Unternehmensfinanzierung auf EU-Ebene voranzutreiben und zu finanzieren.