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Goldgräber-Stimmung auf Chinas Automarkt

Von Anika von Greve-Dierfeld, Schanghai

Wirtschaft

China will hinter das Steuer. In einem Land, in dem noch vor zehn Jahren ein Privatauto unerhörter Luxus war, wollen immer mehr Menschen raus aus den überfüllten Bussen, runter vom Rad und rein ins eigene Auto. Rund 40 Millionen Führerscheinbesitzer gibt es im bevölkerungsreichsten Staat der Erde, Tendenz rasant steigend. Fünf Millionen Autos fahren derzeit auf Chinas Straßen, eine Million davon wurden allein im vergangenen Jahr abgesetzt. Für 2003 sagen die Statistiker fast 1,5 Millionen verkaufte Autos voraus, bis 2010 sollen es zwischen fünf und sechs Millionen pro Jahr werden.


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Mehr und mehr gerät dabei das Auto als Prestigeobjekt in den Blickwinkel der Kunden. Fernseher? DVD-Player? Waschmaschine? Wohnung? Was früher Ausdruck des ultimativen Wohlstandes war, ist heute für mehr und mehr Chinesen normal. "Wer zeigen will, dass er es wirklich zu etwas gebracht hat, der fährt ein schönes Auto", sagt Erich Schmitt, der für das China-Geschäft zuständige Einkaufschef bei Audi. Auch der Freizeitgedanke spielt eine immer größere Rolle: Ein vor ein paar Jahren bei Peking eröffnetes Autokino verzeichnet plötzlich hervorragende Geschäfte, Chinesen unternehmen im eigenen Wagen Ausflüge aufs Land, ständig kommen neue Auto-Magazine auf den Markt. Jüngstes Beispiel die Zeitschrift "Auto-Freund", in der etwa ein beflissener "Doktor Öl" dem besorgten Autobesitzer in einer wöchentlichen Kolumne Fragen rund ums geliebte Fahrzeug beantwortet.

Vor allem der Eintritt in die WTO vor über einem Jahr hat Chinas Automarkt nachhaltig umgekrempelt. Bis dahin waren nicht nur importierte Wagen schier unbezahlbar und mit hohen Zöllen belegt, auch in China selbst produzierte Fahrzeuge waren, abgeschirmt von ausländischer Konkurrenz, trotz oft schlechter Qualität und langweiliger Modelle sehr teuer. Seit dem WTO-Beitritt jedoch sind zahlreiche Beschränkungen abgeschafft, die ausländischen Autoproduzenten drängen mit übermächtiger Technik und ständig neuen Modellen auf den Markt.

"Alle Global Players gehen nach China, auf Dauer haben nur die großen Produzenten eine Chance", sagt VW-Asien-Chef Bernd Leissner. Die Preise fallen, viele der rund 100 chinesischen, meist kleinen Autohersteller dürften in den nächsten Jahren vom Markt verschwinden.

Übrig bleiben die großen Gruppen wie First Automotive Works (FAW), Chinas größter Autoproduzent, Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC) sowie Chang'An-Auto oder Minibushersteller Brilliance China. Fast alle haben Joint Ventures mit ausländischen Partnern gegründet - der Marktführer VW produziert mit SAIC Chinas beliebtesten Wagen, den Santana und mit FAW den Jetta, den Bora und Audi-Modelle. Brilliance und BMW bekamen vor wenigen Wochen die Erlaubnis für die Gründung eines Joint Ventures und wollen schon in diesem Herbst die ersten Modelle der 3er Reihe vom Band laufen lassen, die 5er Reihe soll folgen. General Motors produziert höchst erfolgreich seine Buick-Modelle und neben Honda haben auch der japanische Autogigant Toyota sowie Nissan und Peugeot inzwischen Fuß gefasst.

Der Automarkt in China birgt großes Potenzial - für weiteres Wachstum, aber auch für jede Menge Probleme. Trotz 5.000 neu gebauten Autobahnkilometern im vergangenen Jahr ist das Straßennetz von insgesamt 25.000 Kilometern im Vergleich zur Größe des Landes noch völlig unzureichend. Luftverschmutzung, zu laxe Abgasgesetze und ein vollkommen chaotischer Verkehr lassen den Traum vom Autofahrer-Staat China schnell zum Albtraum werden. Schon jetzt liegt das Land mit fast 110.000 (2001: mehr als 90.000) Verkehrstoten pro Jahr weltweit an der Spitze, schon jetzt befinden sich sieben der zehn am stärksten verschmutzten Städte in China.