Mit der realistischen Aussicht, dass Rumänien Ende 2007 Vollmitglied der EU wird, ist dieses Balkanland plötzlich aus dem bisherigen Windschatten des wirtschaftlichen Interesses herausgetreten. Ausländische Investoren versuchen sich die "Filetstücke" bei den Privatisierungen zu holen, stocken ihre bereits getätigten Akquisitionen auf oder stellen neue Fabriken auf die grüne Wiese. Es herrscht Goldgräberstimmung - und Österreichs Wirtschaft mischt kräftig mit.
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Fast täglich (zumindest aber einmal wöchentlich) vermelden derzeit die rumänischen Medien mit einem hörbaren Unterton von Stolz und Befriedigung, dass wiederum ein ausländischer Investor sich in ihrem Land engagiert hat.
Der Gesamtumfang der Direktinvestitionen aus dem Ausland zwischen 1991 und September 2003 beläuft sich nach Angaben der dafür zuständigen rumänischen Agentur ARIS bereits auf über 10 Mrd. Dollar. Davon ging das meiste in die Industrie (54.3 Prozent), Dienstleistungen (16 Prozent), Handel (10.7 Prozent) und Transport (7.8 Prozent).
Laut Angaben der rumänischen Zentralbank wurden im Zeitraum vom 1. Jänner bis 31. August dieses Jahres
883 Mill. Euro investiert, um 19 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Nach den Schätzungen des rumänischen Nationalinstituts für Statistik könnte sich die Summe der ausländischen Direktinvestitionen 2003 auf über 900 Mill. Dollar belaufen.
Im Vergleich zu den übrigen Staaten des ehemaligen kommunistischen RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) lag aber Rumänien im vergangenen Jahr mit 52 Dollar pro Kopf an Auslandsinvestitionen noch weiter hinter den meisten zentral- und mitteleuropäischen Reformländern (Tschechien hatte etwa 468 Dollar pro Kopf vorzuweisen). Der Leiter der EU-Delegation in Bukarest, Jonathan Scheele, ist aber optimistisch: "Die seit dem Jahre 2000 eingeleiteten Änderungen und auch neue Anreize, die es ab 2004 geben wird, sollten zu einem deutlichen Anstieg führen."
In Rumänien noch immer relativ selten sind die sogenannten "greenfield investments", das heißt, wenn ein Werk komplett neu aus dem Boden gestampft wird. Aber auch das geschieht immer häufiger. Ein ausgesprochenes Faible dafür haben seit jeher die Japaner - und so wird der japanische Riese Sumitomo Electric Ltd um 8 Mill. Euro ein neues Werk in Deva (neben dem bereits bestehenden in Orastie) errichten, um von Rumänien aus den europäischen Markt zu bedienen. Die dort erzeugte Autoelektrik wird an die europäischen Werke von Mazda, Ford , Honda und Rover geliefert werden.
Ebenfalls sehr häufig (und noch immer der Löwenanteil) sind Investitionen, die als Folge der in Rumänien nun recht zügig (aber nicht immer transparent und fair) verlaufenden Privatisierungen erfolgen. Sie werden von internationalen Konzernen, die bisher schon in den Reformländern Zentral- und Mitteleuropas Akquisitionen getätigt haben, genützt, um sich nun auch in Rumänien (und Bulgarien) die führende Position in ihrer Branche und in der ganzen Region abzusichern.
Klassisches Beispiel dafür aus jüngster Zeit: Die LNM Holding des in Großbritannien residierenden indischen Stahlbarons Lakshmi Mittal kaufte Ende Oktober um 155 Mill. Dollar zwei weitere rumänische Werke, das Stahlwerk Siderurgica Hunedoara und den Röhrenhersteller Petrotub Roman. LNM sicherte sich damit nicht nur die Stellung in Rumänien ab (wo zuvor Ispat Sidex und Ispat Tepro übernommen und saniert worden waren), sondern in Osteuropa überhaupt: Denn mit Nova Hut in Tschechien und dem Werk PHS in Polen ist die LNM Gruppe nun der weitaus größte Stahlerzeuger in diesem Raum geworden - mit jährlich 8 Mill. Tonnen Stahlprodukten. In einer ganz anderen Branche, nämlich in der Zementproduktion, hat beispielsweise die deutsche "Heidelberg Zement" dieselbe Strategie wie LNM erfolgreich verfolgt und dafür 200 Mill. Euro investiert.
Ganz typisch für die gegenwärtige Goldgräberstimmung ist auch, dass in bestehende Akquisitionen weiter investiert wird. Ein Beispiel für die Ausweitung einer bereits getätigten Investition (von 1,5 Mill. Euro) lieferte jüngst Österreich - die Frantschach Industrial Packaching (FIP) wird nächstes Jahr mit einem Aufwand von zwei Mill. Euro in dem Werk nahe Bukarest eine zweite Produktionslinie installieren.
Der französische Autohersteller Renault, der das ehemals staatliche rumänische Autowerk (in dem die verschiedenen Modelle des "Dacia" gefertigt wurden) 1999 um 300 Mill. Euro gekauft hat, wird bis Ende 2004 weitere 356 Mill. in eine Ausweitung und Modernisierung der Produktionslinien pumpen.
Und längst schon sind es nicht nur die großen Unternehmen und internationalen Konzerne, sondern auch und vor allem Mittelstandsbetriebe, die ihr Glück versuchen. Dazu wieder ein Beispiel aus Österreich: Die oberösterreichische Firma Hötzinger GmbH hat mit Hilfe der Außenhandelsstelle Bukarest einen qualitätsbewussten, flexiblen und verlässlichen Partner aus Rumänien im Bereich Stahl- und Maschinenbau gefunden.
Der Energiesektor zieht massiv Investitionen an
Die Telekommunikation lag Anfang des Jahres mit 16 Projekten (334 Mill. Dollar) noch knapp vor dem Energiebereich, der aber im Verlauf der folgenden Monate stark anzog. Hier zeichnen sich heuer und auch in Zukunft wohl die umfangreichsten und kapitalintensivsten ausländischen Investitionen ab, sei es nun bei Öl oder Gas oder auch bei der Elektrizitätsversorgung. Allein in der Öl- und Gasindustrie sind in den nächsten zwei Jahren Investitionen mit einem Volumen von 2 Mrd. Dollar nötig. Weil beispielsweise alle rumänischen Raffinerien bis Anfang 2005 verpflichtend in der Lage sein müssen, Benzin nach der Euro-3-Norm herzustellen, wird das allein Investitionen von 800 Mill. Dollar erfordern. Daneben stehen weitere Privatisierungen an, etwa der Ölgesellschaft Petrom.
Investoren aus Frankreich und der Türkei werden in einem "joint" das rumänische Kraftwerk Rovinari betreiben und für die Modernisierung bis 2006 immerhin 600 Mill. US-Dollar in die Hand nehmen müssen.
In die rumänischen Elektrizitätsnetze, die total veraltet sind, will die italienische ENEL einsteigen und schätzt den Investitionsbedarf für die nächsten 15 Jahre auf insgesamt 1,2 Mrd. Dollar.
Als ein weiterer wichtiger Investitionszweig (derzeit an dritter Stelle) hat sich die Baustoffindustrie erwiesen, wobei die großen europäischen "Player" wie Heidelberg Zement, Lafarge und die schweizerische Holcim sich annähernd gleich große Teile des Kuchens gesichert haben. An vierter Stelle liegt die Papier- und Holzindustrie, danach folgen die stahlerzeugenden und metallverarbeitenden Sektoren.
Österreich zählte 2001 nach Italien, Deutschland, Holland, Frankreich und den USA zum sechstwichtigsten Investor in Rumänien. Von diesem Platz sind wir vergangenes Jahr auf die fünfte Position vorgerückt, gefolgt von den Briten.
In den ersten neun Monaten dieses Jahres landen nach Angaben der rumänischen Agentur für Investitionen (ARIS) vorerst die Niederlande (212 Mill. US-Dollar), Österreich (185 Mill.) und Deutschland (157 Mill.) auf den "Stockerln".
Österreich mit mehr als 2.500 Firmen präsent
"Die österreichische Wirtschaft ist nun in Rumänien mit mehr als 2.500 Firmen mit Kapitalbeteiligungen präsent und Österreich ist unter die Top-Fünf der Auslandsinvestoren aufgerückt," so Walter Friedl, Handelsdelegierter der Wirtschaftskammer Österreich in Bukarest. "Wobei das Schwergewicht auf dem Energiesektor, der Holzverarbeitung und dem Hoch - und Tiefbau liegt," setzt Walter Friedl fort.
Die österreichischen Direktinvestitionen von 1990 bis 2002 Zeitraum erreichten immerhin 750 Mill. Euro (von insgesamt 8,9 Mrd. Euro ausländischer Direktinvestitionen).
In welchen Sektoren lag bisher der Schwerpunkt der österreichischen Aktivitäten in Rumänien? Ein paar Beispiele, "quer durch den Gemüsegarten":
Die Brauunion (nun beim holländischen Brauriesen Heineken) hat mit der Akquisition von sieben rumänischen Brauereien einen Marktanteil von über 36 Prozent errungen, die Agrana besitzt drei Zuckerfabriken, die Banken sind mit Bank Austria (HVB), Raiffeisen (nach der Übernahme der Banca Agricola mit über 220 Filialen im ganzen Land) und Volksbank stark präsent, genauso die Leasinggesellschaften der genannten Banken.
Zahlreiche österreichische Baufirmen wie die STRABAG, Alpine, Swietelsky oder AST sind in Hoch- und Tiefbauprojekten engagiert, wobei vor allem Infrastrukturprojekte, die mit EU-Fördermitteln aus dem ISPA-Programm mitfinanziert werden, ein großes Volumen einnehmen.
Derzeit sind weitere Investitionen in der Realisierungsphase, so zum Beispiel von seiten der Firma Holzindustrie Schweighofer, die ein Sägewerk in Sebes (Investitionssumme 70 Mill. Euro) errichtet. Die VA-Intertrading, die schon seit vielen Jahren erfolgreich am rumänischen Markt tätig ist, verwirklicht ein Projekt in Constanza, dem größten Schwarzmeerhafen.
Zur besseren Kommunikation der Unternehmen untereinander hat die österreichische Außenhandelsstelle den "Austrian Business Club Bukarest", ein Forum für die Niederlassungsleiter österreichischer Firmen in Rumänien, ins Leben gerufen.