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Goldmann: "War unangenehme Zeit"

Von Franz Steinbauer

Wirtschaft

Die Affäre vom Sommer ist für die Managerin erledigt. | Staat soll bald wieder mehr für den Nahverkehr zahlen. | 2009 wird rund die Hälfte der Flotte im Nahverkehr erneuert sein. | "Wiener Zeitung":Wenn Sie mit dem Abstand eines halben Jahres auf den Sommer zurückblicken, was sagen Sie dann zu der damaligen ÖBB-Affäre, als Ihnen ÖBB-intern vorgeworfen wurde, Sie hätten in der Arbeitszeit für den gemeinnützigen Verein Opernwerkstatt Kopien von Noten gemacht? Als man Ihnen letztlich mit der Entlassung gedroht hat?


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Wilhelmine Goldmann: Zu diesem Thema ist bereits alles gesagt worden. Was soll ich dazu sagen? Es war eine sehr unangenehme Zeit.

Ist für Sie die Sache abgehakt und erledigt?

Für mich ist es erledigt.

Was wird sich durch die neue Regierung bei der Bahn ändern? Wird man die ÖBB-Struktur umbauen?

Keine Ahnung. Das wüsste ich auch gern.

Gab es schon ein Treffen mit dem neuen SPÖ-Verkehrsminister Werner Faymann?

Von meiner Seite nicht. Ich würde aber gern reden.

Seit wann sind die Abgeltungen für gemeinnützige Leistungen - wie zum Beispiel für die Schülerfreifahrt oder Seniorenermäßigung- zuletzt den gestiegenen Preisen angepasst worden?

Im Jahr 1999. Auch heuer wird nicht valorisiert. Dazu kommt, dass wir mehr fahren. Wir bedienen ein größeres Netz als damals.

Wie hoch sollte eine etwaige Valorisierung ausfallen? Soll der Staat wieder mehr für den Nahverkehr zahlen als früher?

Tatsache ist, dass wir die Leistungen der Bahn steigern wollen, um mehr Fahrgäste zum Umsteigen zu bewegen. Dieses Ziel können wir langfristig nicht bei gleichzeitig kleiner werdenden Realeinnahmen der Österreicher erreichen.

Wie sieht es bei den Zahlungen der Bundesländer, den so genannten Verkehrsdienste-Verträgen, aus?

Durch die intensiven Verhandlungen mit den Ländern ist es mir gelungen, allein im vergangenen Jahr die Verkehrsdienste-Bestellungen gegenüber 2005 um 30 Prozent zu erhöhen. Das Resultat sieht man in einem stark verbesserten Angebot. Die Verkehrsdienste-Verträge gibt es seit 2000.

Was bringt da die Zukunft?

Wir erwarten uns eine weitere Steigerung bei den Fahrgästen. Wir hatten 2006 im Nahverkehr einen Riesenzuwachs von mehr als zwei Prozent. Das Erneuerungsprogramm für das Wagenmaterial ist ebenfalls ein wichtiger Schwerpunkt. Bis Ende 2006 haben wir jeden 3. Sitzplatz im Nahverkehr ausgetauscht. 2009 werden wir 46 Prozent der Nahverkehrsflotte erneuert haben.

Gilt das für alle Bundesländer?

Vorarlberg hat jetzt schon mit einem Durchschnittsalter von anderthalb Jahren die neuesten Züge. In Tirol werden die Garnituren dann ab nächstem Jahr ein Durchschnittsalter von fünf Jahren aufweisen.

Wann werden die alten Waggons mit den händisch zu schließenden Türen weg sein?

Ab 2008 gibt es keine solchen Waggons mehr.

Was kann man aus der Sicht der Pendler und Fahrgäste verbessern?

Laut einer Studie sind 54 Prozent der Österreicher auf den öffentlichen Verkehr angewiesen. Dieses Potenzial wollen wir weiter ausschöpfen. Wir möchten zum Beispiel bessere Bus-Bahn-Anschlüsse anbieten. Im Fahrplan 2007 haben wir schon über 600 solche Verbindungen geschaffen. Allerdings streben wir nicht nur die fahrplanmäßige Verknüpfung von Bus und Bahn an, sondern auch die Sicherung der Anschlüsse.

Was heißt das?

Das heißt, dass der Bus oder die Bahn, in die der Fahrgast umsteigen will, wartet. Dann würde man nicht mehr wegen einigen Minuten Verspätung den Anschlusszug oder -bus versäumen. Dazu bedarf es jedoch großer Investitionen in die Telematik, damit die Busfahrer und die Zugführer miteinander kommunizieren können.

Welche anderen Projekte sind in Planung?

Wir sind gerade dabei, unser gesamtes Vertriebssystem zu erneuern. Das ist eine revolutionäre Geschichte. Es geht um die Durchlässigkeit der Vertriebskanäle. Ab Ende 2008 sind bei den ÖBB Internet, Telefon und Schalter integriert. Es gibt pro Kunde und Ticket eine Nummer, die eindeutig zuordenbar ist. Umbuchen ist dann problemlos möglich.

Ab Anfang Februar kann man Tickets telefonisch bestellen und später beim Automaten ausdrucken.

Weiters planen wir ein Freizeit-Kombiticket. Ab März können die Fahrgäste in der Gruppe im Nahverkehr sehr günstig reisen.

Wann trifft sich das Kunden-Forum, das geschaffen wurde, um die Anliegen der Fahrgäste ernster zu nehmen, das nächste Mal?

Nächste Woche wird das Forum wieder zusammenkommen. Wir bemühen uns sehr, alle Anregungen und Wünsche des Kundenforums einzuarbeiten.

Gibt es Kundenbefragungen?

Ja, wird machen alle drei Monate eine Umfrage mit rund 20.000 Bahnfahrern. Die Ergebnisse werden jedoch nicht veröffentlicht, sondern dienen der internen Kontrolle der Qualität. Zusätzlich haben wir sechs Testfahrer, die sich die Züge und die Bahnhöfe rund um die Uhr anschauen.

Man hört oft Beschwerden über unpünktliche Züge.

Im Schnellbahn-Bereich hat die Bahn eine sehr hohe Pünktlichkeit von rund 95 Prozent. Darauf bin ich sehr stolz. Sonst haben wir eine Pünktlichkeit von rund 85 Prozent. Alles was weniger als 80 Prozent ist, ist ein Alarmsignal.

Wie viel Prozent des Personenverkehrs macht der Nahverkehr aus?

Der Nahverkehr kommt bei den Fahrgästen auf 85 Prozent des gesamten Personenverkehrs.

Wie sieht das Verhältnis Bus zu Schiene aus? Hat der Bus die Schiene bereits überholt?

Der Bus lag immer schon vorne.

Seit die Bahn den Postbus gekauft hat?

Nein. Das war immer so. Der Bus hat im Nahverkehr immer mehr Anteil gehabt. Denn der Bus fährt ja nur im Nahverkehr. Das Verhältnis Bus zu Schiene ist 1,4 zu 1. In absoluten Zahlen sind 2006 238 Millionen Fahrgäste mit dem Postbus gefahren und 167 Millionen Fahrgäste mit dem Nahverkehr der Schiene. Der Bus hat das größte Streckennetz. Bedient mehr als 800 Gemeinden, wo es ansonsten kein anderes Verkehrsmittel gibt.

Welche anderen Länder und Eisenbahngesellschaften sehen Sie als Vorbilder?

Die Schweiz. Die Schweiz gibt so viel mehr Geld aus als alle anderen. Die Schweizer haben ein sehr dichtes Bahn- und Busnetz. Die Schweiz ist das Eldorado für jeden Verkehrsmenschen. Deutschland ist relativ gut organisiert. Es gibt dort schon relativ viel Wettbewerb im Nahverkehr.

Um wie viel investiert die Schweiz mehr als Österreich?

Ein Vielfaches. Man muss sich nur anschauen, was die Schweiz in den vergangenen zehn Jahren in die Infrastruktur investiert hat. Die Schweizer haben massiv in die Strecke Bern-Zürich investiert. Sie haben eine Top-Infrastruktur, daher können sie auch den Schweiz-weiten Taktfahrplan so gut fahren. Und wir haben eben wahnsinnigen Nachholbedarf bei allen Investitionen, bei der Infrastruktur, beim Fuhrpark und bei den Systeminvestitionen. In den vergangenen zehn Jahren wurde in Österreich viel zu wenig investiert.

Wie groß ist der Investitionsrückstau bei der Bahn in Österreich?

Das kann ich schwer beziffern. Dass die Westbahn erst jetzt ausgebaut wird, ist ein Witz. Oder dass die Pottendorfer Linie immer noch nicht gebaut wird, ist auch ein Witz. Das sind Sachen, die seit zehn Jahren auf der Hand liegen.

Zur Person: Wilhelmine Goldmann

Im Sommer 2006 war Wilhelmine Goldmann, der Vorstandsdirektorin der ÖBB-Personenverkehr AG, vom Aufsichtsrat vorgeworfen worden, sie hätte ihre Dienstpflichten verletzt. Viele spekulierten, dass die Niederösterreicherin ihren Manager-Posten verlieren könnte. Letztlich endete die Affäre mit einem Verweis. ÖBB-Aufsichtsrat Fredmund Malik vom Managementzentrum St. Gallen in der Schweiz zog den Kürzeren.

Goldmann wurde 1948 in Traisen geboren, studierte Welthandel an der Hochschule in Wien. Im Laufe ihrer Karriere in der Arbeiterkammer Wien lag der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit im Wirtschaftsbereich. In weiterer Folge arbeitete sie als Sanierungs- und Privatisierungsexpertin in der ÖIAG. Nachdem sie vier Jahre die Österreichische Postbus AG geleitet hatte, übernahm sie die Position als Vorstandsdirektorin der ÖBB-Personenverkehr AG bei der heimischen Bahn.