Dass Staatspräsident Hugo Chávez die Anwältin, Autorin und Publizistin Eva Golinger aus den USA in sein Herz geschlossen hat, liegt an deren Aufdeckungsarbeit.
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Eva Golinger ist "das Herzblatt Venezuelas". Zumindest nennt sie Staatspräsident Hugo Chávez so. Darauf ist sie stolz und verkündet es groß auf ihrem Blog, www.chavezcode.com. Dass Chávez sie mit diesem zärtlichen Titel bedenkt, erscheint auf den ersten Blick ungewöhnlich. Denn die Anwältin, Autorin und Publizistin ist aus den USA, also einem Land, das auf der Karte des venezolanischen Präsidenten gleich irgendwo dort liegt, wo auch die Hölle ist.
Den Weg zu Chávez Herzen hat Golinger über den Freedom of Information Act gefunden, der jedem US-Bürger das Recht gibt, Zugang zu Dokumenten seiner Regierung zu verlangen. Den nutzte Golinger, um Geheimdienstakten über den missglückten Putschversuch ausheben zu lassen, der im Jahr 2002 in Venezuela stattgefunden hatte. Nachdem sie die Unmengen an Daten ausgewertet hatte, kam sie zu dem Ergebnis, dass die USA die Umsturzbestrebungen mit 50 Millionen Dollar unterstützt hatten. Die Anti-Chávez-Gruppen erhielten demnach amerikanische Steuergelder mitunter über den Umweg der Organisation für die Förderung von Demokratie, NED, und die Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID.
Golinger beschloss, diese Information mit dem venezolanischen Präsidenten zu teilen. Also flog sie nach Venezuela, von wo die Familie ihrer Mutter - ebenfalls eine Anwältin - Anfang des 20. Jahrhunderts nach New York emigriert war; ihr Vater ein amerikanischer Psychiater hatte als Offizier im Vietnam-Krieg gedient. Im Land ihrer Vorfahren angekommen, kostete es sie einige Anstrengung, den Präsidenten zu treffen. Doch als sie es schließlich schaffte, war der von ihren mitgebrachten Dokumenten restlos begeistert, während Kritiker deren Echtheit in manchen Fällen bezweifeln. In Venezuela lernte sie auch ihren Ehemann kennen, von dem sie sich aber bald wieder scheiden ließ, da er "ihren Kampf" nicht verstand, wie sie sagt. Und der ging unentwegt weiter
Heute ist die 37-Jährige eine Vertraute von Chávez und hat ihn schon auf seinen wichtigen Reisen nach Syrien, Iran, Weißrussland und Libyen begleitet und beraten. Von einigen der dortigen Staatschefs war sie übrigens recht angetan: Mahmoud Ahmadinejad ("vornehm") und Alexander Lukaschenko ("sehr nett").
Ihre Anschuldigen zielen nicht ausschließlich auf die USA ab. So warf sie auch deutschen, spanischen und kanadischen Organisationen (darunter die Parteistiftung Konrad Adenauer) vor, sich massiv in die venezolanischen Regionalwahlen 2008 eingemischt zu haben.
Hauptfeind ist aber nach wie vor ihre Heimat, die USA, in die sie nur noch sehr sporadisch zurückkehrt. Daran hat auch der Regierungswechsel mit dem neuen Präsidenten Barack Obama nichts geändert. Ihm wirft sie vor, für die venezolanischen Präsidentschaftswahlen 2012 den Sturz Chavez vorzubereiten. Zu diesem Schluss kam sie nachdem sie einen Blick in das 2011 verabschiedete US-Budget geworfen hatte: "Das Budget des State Departments weist ganz offen die direkte Finanzierung von Anti-Chávez-Gruppen mit mindestens fünf Millionen Dollar aus", erklärte Golinger. Dies sei Teil einer globalen Destabilisierungs-Strategie, um den USA Ressourcen zu sichern. Erfolgreich sei dieser Plan bereits in den arabischen Ländern umgesetzt worden. Als Nächstes sei Venezuela mit einem Umsturz dran, fürchtet sie.