Bestsellerautor Marc Elsberg im Interview über den Streit der EU mit dem US-Konzern.
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"Wiener Zeitung": Was kann die EU gegen Google tatsächlich ausrichten? Kann man die Suchmaschine vom Rest trennen?
Marc Elsberg: Ob es juristisch möglich ist, weiß ich nicht. Aber letztendlich würde es wohl in Bezug auf das, wohin sich Google bewegt, gar nicht so wahnsinnig viel bringen. Man müsste Google in mehrere Teile zerlegen und nicht nur die Suchmaschine abkoppeln. Aber noch ist Google in den anderen Bereichen, in denen es aktiv ist, nicht so dominierend wie bei der Suchmaschine. Deswegen ist das wahrscheinlich mit irgendwelchen Kartellgesetzen noch nicht durchsetzbar, weil nicht so eine dominante Marktposition herrscht, dass man von möglichem Missbrauch sprechen kann, den gibt es momentan höchstens bei der Suchmaschine. Die Entwicklung geht natürlich in die Richtung, dass es womöglich irgendwann anders sein wird.
Wo will Google hin?
Das hat einer der Gründer schon vor Jahren erklärt: Google baut eigentlich keine Suchmaschine, sondern eine künstliche Intelligenz. Und in diesem Bereich ist es sicher momentan eines der Unternehmen, die sehr weit vorne sind. Wenn man dann einer der Herren über eine künstliche Intelligenz ist, womöglich über die führende künstliche Intelligenz auf diesem Planeten, ist das schon eine gewisse Machtposition. Vor allem, wenn man auch die angehängten Instrumente hat, um sie einzusetzen, und die schafft sich Google gerade an.
Hat die Suchmaschine, die Google ursprünglich bekannt gemacht hat, dann eigentlich noch eine Bedeutung für den Konzern?
Sie ist noch immer die Geldverdien-Maschine. Und sie ist sehr wichtig, um die weiteren Entwicklungen voranzutreiben. Das meiste Geld verdient Google nach wie vor mit der Suchmaschine.
Würde man Google tatsächlich zersplittern, würde sich dann womöglich die Geschichte von der Bell-Zerschlagung in den USA wiederholen, wo es danach sogenannte Baby-Bells wie AT&T gab?
So etwas gab es ja immer schon. Das ist an sich nichts Neues, dass Unternehmen mit marktbeherrschender Position in anderer Form zurückkommen. Die Frage ist dann, wie weit die strukturelle Vernetzung weiterhin möglich ist. Googles Suchmaschine kann erstens Geld verdienen und bildet zweitens bis zu einem gewissen Grad die strukturelle Basis für das Sammeln und Verknüpfen von Daten. Wenn diese Verknüpfungen nur gesellschaftsrechtlich aufgelöst werden, aber nicht strukturell, und wenn im Hintergrund trotzdem alles weiterhin zusammenfließt, bringt die rechtliche Ausgliederung der Suchmaschine nichts. Deshalb muss man letztlich auch diese Mechanismen im Hintergrund unterbinden. Sonst gibt die Suchmaschine die gesammelten Daten eben auf anderem Weg an Rest-Google weiter, etwa durch Datenverkauf. Man muss noch wesentlich extremer über Datenschutz, Datenanalyse, Persönlichkeitsrechte und Privatheitsrechte nachdenken und diskutieren, als es momentan geschieht.
Inwieweit droht ein Streit mit den USA, wenn die EU sich mit Google anlegt?
Wir sprechen hier von grundsätzlichen Machtpositionen, die nationalstaatlich geprägt sind. Aber die Frage ist, ob es sich nicht inzwischen umgekehrt hat. Ob nicht das größere Gewicht schon längst nicht mehr der Nationalstaat hat, sondern das Unternehmen und der Nationalstaat nur noch dessen Erfüllungsgehilfe ist. Das ist ja das Problem, mit dem wir momentan in diesem Zusammenhang kämpfen, auch hier in Europa, dass die Staaten in diesem Gebiet zu untätig sind. Die Frage ist, ob die Politik, die nationale oder die EU-Politik, überhaupt noch tätig werden kann.
Hat mittlerweile die Wirtschaft die Macht und nicht mehr die Politik?
Es hat zumindest starke Machtverschiebungen in diese Richtung gegeben. Die Politik hat sich aus ihrer ursprünglichen Funktion weit zurückgezogen, und jetzt merkt man halt die Folgen.
Marc Elsberg wurde in Wien geboren und heißt eigentlich Marcus Rafelsberger. Für seinen Thriller "Zero" hat er sich eingehend mit den Themen Datensammeln, Privatsphäre, Datenschutz und soziale Medien befasst. "Zero" wurde in Deutschland zum "spannendsten Wissensbuch 2014" gekürt.