)
Google und Herold als Diener in Orwells Überwachungsstaat? | Deutschland hat Gesetz verabschiedet. | In Österreich ist der Rechtsrahmen noch nicht geklärt. | Wien. "Wen geht es eigentlich etwas an, wie das Haus einer - womöglich wildfremden - Person von oben aussieht? Ob der Arbeitskollege oder die Exfreundin einen Pool oder einen großen Garten hat?" Hans Zeger, Mitglied im Datenschutzrat des Bundeskanzleramts, findet es jedenfalls beängstigend, dass jedermann die Möglichkeit hat, sich seine Nachbarschaft aus der Vogelperspektive anzusehen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Denn Satellitenbilder gehören inzwischen nicht mehr nur ins Reich der militärischen Strategen oder Kartographen. Dank diversen Internet-Suchdiensten, am bekanntesten wohl Google Earth, braucht man nur einen Computeranschluss und zoomt sich die interessanten Gebiete heran. Beim österreichischen Datenanbieter Herold etwa kann man neben der Telefonnummer und Adresse inzwischen auch die Häuserflucht der gesuchten Person erfragen: "Österreich, wie Sie es noch nie gesehen haben" ist der dazu gehörende Werbespruch auf der Herold-Homepage. Die Luftbilder habe man von einer amerikanischen Firma, die "extra für uns geflogen ist. Das Tolle ist, dass die gar nicht verzerrt sind, sondern die Straßenzüge so sind wie sie auf den Karten erkennbar sind", erklärt Herold-Marketing-Direktorin Margit Kaluza. "Wenn jemand allerdings nicht möchte, dass Luftbild und Karte zu seinem Eintrag angezeigt werden, entfernen wir beim Eintrag den Link zur Karte." Allerdings seien es bisher nur ein bis zwei Personen pro Monat gewesen, die die Löschung beantragen.
Und selbstverständlich passe man sehr darauf auf, den rechtlichen Rahmen punkto Datenschutz und Privatsphäre nicht zu überschreiten.
Dieser rechtliche Rahmen ist allerdings weit gesteckt: Der Bereich "Luftbilder" ist relativ neu, Judikatur dazu praktisch nicht existent. Vor allem in Österreich - "in Deutschland hat die Diskussion über den Datenschutz bei Luftbildern wenigstens schon angefangen", meint der Leiter des deutschen Datenschutzzentrum in Schleswig-Holstein, Thilo Weichert. Und es ist ja nicht nur die "nackte Nachbarin auf der Sonnenliege" ein Problem, sondern auch das Ablichten von militärischen Stützpunkten. Deutschland verabschiedete dementsprechend kürzlich das Satellitendaten-Sicherheitsgesetz, in dem vor allem Fragen der inneren und äußeren Sicherheit behandelt werden.
In Österreich existieren allerdings keine ähnlichen Entwürfe - weder für die militärische Sicherheit noch für die Wahrung der Privatsphäre und Anonymität.
Alte Grundsätze für neue Technologien
"Man kann sich hier natürlich an den alten Grundsätzen orientieren", meint etwa der österreichische Verfassungsjurist Andreas Lehner, "nämlich, dass es reicht, etwas als unzulässig zu qualifizieren, wenn sich Bürger darüber Sorgen machen - etwa, dass ihr Recht auf Privatleben nicht respektiert wird." Denn der Staat dürfe nicht in die Privatsphäre seiner Bürgers eingreifen. In diesem Zusammenhang sieht es der Jurist als problematisch, dass im Mai fünf Bundesländer ihre Geodaten an die Suchmaschine Google verkauft haben. Die Landesregierungen Burgenland, Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg rühmen sich in der Presseaussendung für die "hochwertig aufgelösten Luftbilder", deren Genauigkeit auf "hochauflösenden Ursprungsdaten" besteht und auf denen man "Objekte in der Größe eines Fußballes erkennen" kann.
Weshalb verfügen die Landesregierung eigentlich über das Bildmaterial? "Früher waren wir aufgrund einer EU-Verordnung zur Agrarförderung und Raumplanung verpflichtet, die Luftbilder zu erstellen", erklärt Wolfgang Tinkl, Bereichsleiter des Geo-Informationssystems im LFRZ (Land-, forst- und wasserwirtschaftliches Rechenzentrum). Und Google Earth sei im vergangenen Jahr an sie herangetreten und habe ihnen die Informationen abgekauft. "Wir sind aber nicht die einzigen", meint Tinkl: "Das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen bietet seine Daten auch am freien Markt an."