Zum Hauptinhalt springen

"Göttliche Prüfung" im Gottesstaat

Von Arian Faal

Politik

Reformer wollen Parlamentsmehrheit zurückerobern. | Mehr als 7000 Kandidaten im Iran. | Ahmadinejad geht in die Offensive. | Teheran/Paris/Wien. "Es ist wichtig, dass das iranische Volk weiß, dass die bevorstehenden Parlamentswahlen in unserem Land eine ,göttliche Prüfung sind. Daher müssen sich Sunniten und Schiiten vereinen, damit die Mächte der Arroganz nicht mehr zwischen ihnen intrigieren." Mit diesen Worten hat das geistliche Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, vor kurzem den Parlamentswahlkampf im Gottesstaat eröffnet.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In der Tat gelten die Wahlen, die am 14. März stattfinden, als Richtungsentscheid und Bewährungsprobe für die Regierungsmannschaft rund um den umstrittenen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad. 7129 Kandidaten haben sich in der einwöchigen Zulassungsfrist, die am vergangenen Samstag verstrichen ist, für die Wahl der 290 Parlamentssitze angemeldet, darunter 580 Frauen. Insgesamt 43,7 Millionen iranische Wähler sind aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Zu den prominentesten Kandidaten gehört der iranische Ex-Atom-Chefunterhändler Ali Larijani.

Nun wird der Wächterrat (siehe Kasten) die Interessenten auf ihre politische und religiöse Eignung für eine Kandidatur überprüfen. Reformer werfen dem Rat allerdings regelmäßig vor, viele ihrer Anwärter zu disqualifizieren und damit die Wahlen zu ihren Ungunsten zu beeinflussen.

Von der kommenden Abstimmung erhoffen sich Reformer und gemäßigte Konservative, die vor vier Jahren deutliche Einbußen erlitten haben, die Rückeroberung der Mehrheit der Sitze im Majles, dem iranischen Parlament. Derzeit wird die Versammlung von den Hardlinern der konservativen Abadgaran-Fraktion dominiert, deren Abgeordnete Ahmadinejad vor seiner Wahl im August 2005 unterstützt hatten. Inzwischen kritisieren jedoch auch viele Mitglieder dieser Gruppierung den "No-fear-Kurs" Ahmadinejads sowie seine Wirtschaftspolitik.

Auf wichtige Politikfelder wie das Atomprogramm des Landes hat die Zusammensetzung des Parlaments zwar keinen unmittelbaren Einfluss, denn die wesentlichen Entscheidungen werden von Khamenei getroffen, doch wird das Wahlergebnis ausschlaggebend dafür sein, in welche Richtung sich etwa die inner-iranische Debatte zum Atomstreit mit dem Westen entwickelt.

Wahlbündnis der Reformorientierten

Als Gegenbewegung zu den konservativen Kräften, die Ahmadinejad unterstützen, hat sich die reformorientierte Opposition neu formiert. Im Dezember schlossen sich 21 Parteien zu einem Wahlbündnis zusammen, das die Mehrheit im Majles erobern will. Angeführt wird die Koalition von der Partei des Wiederaufbaus, Kargozaran, unter der Führung von Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani, sowie der Vereinigung kämpfender Kleriker von Mohammad Khatami.

Die beiden Ex-Präsidenten wollen ihr Land durch steigende Investitionen aus dem Ausland wirtschaftlich wieder voranbringen und aus der zunehmenden internationalen Isolation lösen. "Wenn unsere Diplomatie richtig gewesen wäre, dann hätten wir heute nicht die Spannungen mit dem Westen und die UN-Sanktionen", meint etwa der ehemalige Energieminister Habibollah Bitaraf, der die Reformer unterstützt.

Als Wermutstropfen gilt für die Reformer die Tatsache, dass der Vorsitzende des Wächterrates, Ayatollah Ahmad Jannati, ein enger Vertrauter von Präsident Ahmadinejad ist und daher auch diesmal die Macht des Wächterrates entsprechend einsetzen wird. Systematische Ablehnungen von Kandidaten scheinen somit programmiert. Erst am 5. März wird Jannati die endgültige Liste der zugelassenen Kandidaten veröffentlichen, was für den eigentlichen Wahlkampf nur neun Tage Zeit lässt.

Ahmadinejad mischt im Wahlkampf mit

Indes hat sich auch Mahmoud Ahmadinejad in den Wahlkampf eingeschaltet und setzt sowohl auf innen- wie auch auf außenpolitische Akzente. Zum einen verweist der Staatschef stolz auf außenpolitische Errungenschaften seiner Regierung. Dazu gehört die vertiefte Achse zum strategischen Partner Russland, dessen Staatschef Wladimir Putin ihn zu einem "baldigen" Besuch im Kreml eingeladen hat. In diesem Zusammenhang wurde auch der neue Rekord beim Warenumsatz der ersten drei Quartale 2007 zwischen den beiden Ländern gepriesen: Er beläuft sich auf gut 2,2 Milliarden US-Dollar, was eine Verdopplung der Summe des Vergleichszeitraumes 2006 bedeutet.

Außerdem wurden Russland und auch Venezuela als Brüderstaaten des Iran bezeichnet. Als Zeichen der Verbundenheit führte die staatliche iranische Fluglinie "Iran Air" vor einigen Monaten sogar eine - unrentable - Flugverbindung zwischen Teheran, Damaskus und Caracas ein und verstärkte auch die Flüge nach Moskau.

Innenpolitisch hat Ahmadinejad die Bevölkerung zu Geschlossenheit gegenüber dem Westen aufgerufen und große Fortschritte auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Nukleartechnik, beispielsweise die baldige Eröffnung eines iranischen Atomkraftwerkes, angekündigt. Ein Wahlbeobachter resümiert den beginnenden Wahlkampf mit einem Sprichwort: "Wer mit dem Teufel isst, braucht einen langen Löffel. Reimen Sie sich selbst zusammen, was ich damit meine."

Mehr Infos:Wächterrat ist entscheidend