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"GPS-Sender auch für die Opfer wäre skurril"

Von Christian Rösner

Politik

Opferschutzeinrichtungen wurden laut Jesionek noch gar nicht kontaktiert.


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Wien. Die derzeit laufende Fußfessel-Debatte ist deshalb so hochgekocht, weil viele den Opferschutz gefährdet sehen: Laut Experten traumatisiert sexuelle Gewalt die Betroffenen und zerstört deren Vertrauen in die Welt. Das Wissen um einen verurteilten Sexualstraftäter, der sich - wenn auch eingeschränkt - mit Fußfessel in der Öffentlichkeit bewegen darf, macht das nicht besser.

Aber anstatt den Opferschutz zu stärken, geht Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) in die andere Richtung und will die Fußfessel für Sexualstraftäter nach spanischem Vorbild mit einem GPS-Sender ausstatten - die "Wiener Zeitung" hat berichtet.

"Besonders interessant" findet die Ministerin jene Variante, bei der auch die Opfer mit einem solchen GPS-Gerät ausgestattet werden können und automatisch alarmiert werden, sobald sich der Täter ihnen nähert. Die Opfer würden sich aus psychologischer Sicht dadurch sicherer fühlen, meinte die Ministerin.

Warum sich noch kein Opferschutzverband dazu geäußert hat, erklärt der Präsident des Weissen Rings, Udo Jesionek, folgendermaßen: "Es gibt einen kriminalpolitischen Beirat, der sich gerade eine Meinung dazu bildet." Nachsatz: "Was mich aber ein bisschen ärgert, ist, dass die Ministerin überall sagt, sie will die Opferschutzeinrichtungen heranziehen. Aber wir sind bis jetzt noch nicht kontaktiert worden. Und meines Wissens auch niemand anderer." Die Justizministerin habe sich auch noch nicht an die Gewaltschutzzentren, die genau für dieses Thema zuständig sind, gewandt. "Was ich weiß, weiß ich aus den Medien", so Jesionek.

"Wie kommt das Opfer dazu?"

Dass Opfer künftig ebenfalls mit GPS-Sendern ausgestattet werden könnten, bezeichnet der Jurist als "sehr bedenklich und skurril". Und er fragt: "Wie kommt denn das Opfer dazu, dass auch sein gesamter Bewegungsablauf kontrolliert werden kann?"

Laut dem Experten gibt es viele Delikte, bei denen eine GPS-Fußfessel gerechtfertigt wäre. Etwa bei der U-Haft und in Fällen, wo Fluchtgefahr besteht. Oder wenn das Opfer einwilligt und die Gefahr einer Konfrontation nicht gegeben ist. Ob zwischen den Delikten verfassungsrechtlich differenziert werden kann, wie das Verfassungsjurist Heinz Mayer am Dienstag erklärt hat, will Jesionek nicht beurteilen. "Differenzierungen, die begründet werden, sind aber immer zulässig, überall", räumt er ein. Was den Juristen stört, ist, dass Gewaltdelikte noch immer vermischt und damit auch Sexualdelikte oft bagatellisiert werden. In gut zwei Wochen will der Beirat seine Sicht der Dinge präsentieren - auch ohne Anfrage der Ministerin.

Die Hauptfragen werden laut dem Rechtsexperten sein: Sollen Opfer in die Entscheidung über den Einsatz einer Fußfessel einbezogen werden? Und soll man bei gewissen Delikten die Fußfessel ausschließen? In diesen Punkten seien die Expertenmeinungen noch gespalten. "Ich persönlich würde eine Fußfessel ausschließen, wenn ein schweres Sexualdelikt vorliegt - nicht nur im Interesse der Opfer, sondern auch im Interesse der Gesellschaft." Denn bei einem schweren Sexualverbrechen sei Freiheit mit Fußfessel nicht die adäquate Reaktion. "Und irgendwo muss das Strafrecht adäquat reagieren", so Jesionek.