Die Bevölkerung in der Zentralafrikanischen Republik braucht dringend Hilfe, berichtet Ärzte ohne Grenzen.
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Wien. Marcus Bachmann hat schon viele Flüchtlingslager gesehen, aber das in Bangui, in der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik "war das schlimmste". Der Projektkoordinator der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) war rund um den Jahreswechsel einige Wochen in Zentralafrika im Einsatz und berichtete davon am Dienstag bei der Pressekonferenz anlässlich des MSF-Jahresberichts 2013. Die in dem Lager auf engstem Raum eingepferchten Flüchtlinge waren umzingelt, erzählt Bachmann. Nämlich von Milizen, die die Flüchtlinge ständig mit Granaten unter Beschuss nahmen.
Die Vertriebenen waren Moslems, die Milizen rekrutierten sich aus Christen. Und bis heute hat der blutige Konflikt in Zentralafrika kein Ende gefunden. Vergangenes Jahr hatte die moslemische Rebellenallianz Seleka den damaligen Präsidenten Francois Bozize gestürzt. Die Seleka wütete gegen die christliche Zivilbevölkerung. Mittlerweile ist auch Bozize wieder Geschichte, und die ohnehin stets fragilen staatlichen Strukturen sind vollkommen zusammengebrochen. Nun üben christliche Milizen grausame Rache an der moslemischen Zivilbevölkerung oder bekämpfen sich in einzelnen Landesteilen mit den verbliebenen moslemischen Kämpfern. Schwangere, Kinder, alte Männer - gemordet wird seit Monaten unterschiedslos.
"Ich habe noch keine Bevölkerung in solchem Terror erlebt", sagt Bachmann. Er hat gesehen, wie auf spielende Kinder Granaten geworfen wurden, wie ein mit Macheten und Gewehren bewaffneter christlicher Mob in ein moslemisches Viertel aufbrach, um auf Menschenjagd zu gehen.
Dabei sind rund 8000 internationale Soldaten aus Frankreich und von der Afrikanischen Union in dem Land stationiert. Doch deren Reaktion sei erschütternd gewesen, sagt Bachmann. Die Truppen hätten bei den Gewaltausbrüchen großteils nur zugeschaut. "Es werden keine Präzedenzfälle geschaffen, die den Menschen das Gefühl geben, dass sie Schutz erhalten", klagt Bachmann. Die Truppen seien sehr heterogen, und es fehle ihnen offenbar an einem klaren Mandat.
"Eklatantes Versagen des internationalen Hilfssystems"
In Zentralafrika werden nicht einmal medizinische Einrichtungen geschont. Erst vor wenigen Tagen wurde in der Stadt Boguila ein Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen angegriffen. 16 Zivilisten starben, darunter drei Mitarbeiter der Organisation. Man befindet sich laut Bachmann in einem "Dilemma": Die Bevölkerung ist wegen der Sicherheitslage immer schwerer zu erreichen, doch sie benötigt immer mehr Hilfe. Menschen sind aus ihren zerstörten Dörfern in die Büsche geflohen und dort der Malaria ausgesetzt. Halbverhungerte Mütter geben in den Flüchtlingslagern das letzte Essen, das noch bleibt, ihren unterernährten Kindern, berichtet Bachmann.
Die Krise in Zentralafrika ist nicht die einzige, die sich drastisch verschärft hat. Ein anderes Beispiel ist der Südsudan, wo ebenfalls Krieg herrscht und Zivilisten ermordet werden. Für Reinhard Dörflinger, Präsident von Ärzte ohne Grenzen in Österreich, zeigt sich hier "ein eklatantes Versagen des internationalen Hilfssystems." Er forderte eine Ausweitung des internationalen Hilfseinsatzes und mehr politisches Bemühen zur Lösung dieser Krisen.
Ärzte ohne Grenzen ist eine der wenigen Hilfsorganisationen, die in derartigen Krisengebieten, die von der Weltöffentlichkeit oft vergessen werden, im Einsatz ist. 2013 konnte die Organisation zwar in Österreich einen Spendenrekord von 24,3 Millionen Euro verbuchen, sagte Geschäftsführer Mario Thaler. Gleichzeitig suche man jedoch dringend neue Mitarbeiter.