Verfeindete Truppenteile bekämpfen einander. | Bitterarmes Land am Rande eines Bürgerkriegs.
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Sanaa. Der Jemen steht am Rande eines Bürgerkrieges. Seit acht Monaten kämpfen zehntausende Oppositionelle friedlich gegen das Regime des Präsidenten Ali Abdullah Saleh. Zuletzt mehren sich allerdings Berichte über Gefechte zwischen verschiedenen Einheiten der Armee.
Augenzeugen berichten, dass die Hauptstadt Sanaa am gestrigen Dienstag in den Morgenstunden von heftigen Detonationen und Maschinengewehrfeuer erschüttert worden sei. Dabei wurde das Protest-Camp, das Oppositionelle in Sanaa errichtet haben, von Granaten getroffen. Mehrere Menschen kamen ums Leben, es gab Verletzte.
Bereits am Sonntag und Montag waren Zivilisten von regimetreuen Soldaten beschossen worden, mehr als 50 Menschen fanden dabei den Tod. Offizielle Stellen in Sanaa dementieren, dass regimetreue Truppen für das Blutbad der letzten drei Tage verantwortlich sind. Sie weisen die Schuld Soldaten zu, die sich den Demonstranten angeschlossen haben. Eine ganze Division unter dem Befehl von General Ali Mohsen ist im März zur Opposition übergelaufen, nachdem Regierungstruppen bereits damals ein Blutbad unter den Demonstranten angerichtet hatten.
Ein Augenzeuge berichtet gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass sich jetzt Teile der regimetreuen Republikanischen Garde auf einen Berg in der Nähe Sanaas zurückgezogen hätten und von dort aus die Soldaten Generals Moshsens beschießen würden. Das Protest-Camp wäre dabei nur irrtümlich getroffen worden, so die Mutmaßung. Unbestritten ist allerdings, dass das Regime bewusst Scharfschützen auf den Dächern von Sanaa postiert hat, die gezielt auf Demonstranten feuern. Die Website "News Yemen" meldet, dass am Montag ein Kameramann des TV-Senders Al-Hurra im Krankenhaus an den Folgen seiner Verletzungen gestorben - ein Scharfschütze habe auf ihn geschossen, während er die Gewalt gegen Demonstranten in der jemenitischen Hauptstadt filmte, hieß es.
Soldaten getötet
Beobachter warnen schon länger davor, dass die Proteste in dem südlich von Saudi-Arabien gelegenen bitterarmen Land in einen Bürgerkrieg münden könnten. Es fehlt jetzt nur noch wenig, bis dieses Szenario Wirklichkeit wird. Regierungstruppen nahmen am Dienstag zunächst Stellungen des abtrünnigen Generals Mohsen unter Beschuss, mindestens vier Soldaten wurden getötet. Später waren Detonationen im noblen Stadtteil Hadda zu hören. Dort leben Führer des mächtigen Amar-Stammes in Villen, die von bewaffneten Kämpfern bewacht werden. Der Amar-Clan hat sich vor Monaten hinter die Protestbewegung gestellt.
Die Protestbewegung richtet sich gegen das Regime von Machthaber Ali Abdullah Saleh. Der Präsident befindet sich in Saudi-Arabien, nachdem er bei einem Anschlag auf seine Residenz schwere Verbrennungen erlitten hat. Mittlerweile ist er weitgehend genesen; wann und ob er in den Jemen zurückkommt, ist ungewiss. Salehs Brüder, Halbbrüder und Neffen wollen die Macht nicht aus den Händen geben, sie sitzen überall im Land an den Schalthebeln. Alle diplomatischen Versuche, Saleh zu einer Übergabe der Macht an die Opposition zu bewegen, sind gescheitert.
International ist ein Aufschrei der Empörung angesichts der zahlreiche zivilen Opfer bisher ausgeblieben. Die USA haben die Gewalt zwar verurteilt, Maßnahmen, um auf Saleh Druck auszuüben, will man keine setzen. Die Mehrheit der jemenitischen Bevölkerung steht einem direkten Eingreifen der USA extrem kritisch gegenüber.