Die sozialen und ökonomischen Umstände lassen den IQ kleiner werden.
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Wien. Schon seit Jahrzehnten treiben die USA den Kampf gegen Drogen voran. Trotzdem haben zwei Bundesstaaten - nämlich Washington und Colorado - im vergangenen November das Rauchen von Cannabis, auch unter den Namen Marihuana, Haschisch oder Gras verbreitet, legalisiert. Eine aktuelle, im US-Wissenschaftsmagazin "Pnas" ("Proceedings of the National Academy of Sciences") publizierte Studie scheint nun den Befürwortern des durchgeführten Referendums eine Art Bestätigung ihrer Wahl zu geben.
Demnach macht nämlich Cannabiskonsum, entgegen der bisher vertretenen Meinung, nicht dumm. Noch im August 2012 hatte eine Studie berichtet, dass Cannabis den Intelligenzquotienten (IQ) schrumpfen lässt. Der norwegische Forscher Ole Rogeberg vom Ragnar Frisch Zentrum für Ökonomische Forschung in Oslo hat nun die ursprüngliche Studie überprüft. Das Ergebnis: Nicht der Konsum von Marihuana lässt den IQ kleiner werden, sondern die sozialen und wirtschaftlichen Umstände des Lebens der Testpersonen.
Störung der Wahrnehmung
Klar und unbestritten ist: Der regelmäßige Joint stört das Kurzzeitgedächtnis, die Konzentrationsfähigkeit und die Aufmerksamkeit des Menschen. Auch Denkprozesse sowie die Wahrnehmung von Reizen wie etwa Riechen, Sehen, Schmecken, Tasten oder Hören beziehungsweise der Zeit sind - durchaus von den Konsumenten auch erwünschte - Wirkungen.
Im August 2012 hatte die Studie von Madeline Meier von der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina weltweit für Aufsehen gesorgt. Damals schien es endgültige Beweise dafür zu geben, dass Cannabis im Gehirn von Jugendlichen langfristige Schäden hinterlässt. Die Daten stammten von der sogenannten Dunedin-Studie. Einer Erhebung, bei der in Neuseeland 1037 Personen vom Zeitpunkt ihrer Geburt in den Jahren 1972 und 1973 bis zum Alter von 38 Jahren regelmäßig gesundheitlich und psychologisch befragt worden waren.
Die sozialen Verhältnisse
Die Auswertung hatte einen scheinbar linearen Zusammenhang gezeigt. Je mehr und regelmäßiger die Teilnehmer eigenen Angaben zufolge Haschisch geraucht hatten, desto schlechter schnitten sie in den IQ-Tests ab. Die Forscher führten dies auch auf den neurotoxischen, also den Nervenzellen tötenden, Effekt von Cannabis zurück.
Rogeberg lenkte die Aufmerksamkeit jedoch auf die Lebensumstände der Testpersonen und ihrer Familien - der für ihn entscheidendste Faktor. Die sozialen Verhältnisse, wie sie die Dunedin-Studie zeigt, würden allein bereits ausreichen, um das schlechtere Abschneiden bei den Tests zu erklären - und auch ihre vermehrte Cannabis-Nutzung. Laut dem norwegischen Wissenschafter war die Methodik der Studie Meiers fehlerhaft und die Schlussfolgerungen voreilig.
"Sollten die Effekte eher auf Kultur als auf Pharmakologie zurückgehen, muss dies auch bei Entscheidungen über den politischen und gesetzgeberischen Umgang mit diesem Thema berücksichtigt werden", stellt Rogeberg klar.
In Österreich unterliegt Cannabis übrigens den Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes. Demnach ist zu bestrafen, wer Cannabis erwirbt, besitzt, erzeugt, einführt, ausführt oder einem anderen überlässt oder verschafft. Obwohl der Haschisch-Konsum per se legal ist, wird er trotzdem kriminalisiert. Vor allem, weil dieser zumeist mit dem illegalen Besitz einhergeht.
Selbst starker Cannabiskonsum scheint also keine Bedrohung für die allgemeine Intelligenz des Menschen zu sein. Vorübergehende Beeinträchtigungen sind jedoch unbestritten - eben wie sie bei allen chemischen Rauschsubstanzen vorkommen. Umso überraschender ist das kleine Ausmaß an Auswirkungen - im Gegensatz zu anderen legalen oder illegalen Mitteln wie Alkohol oder Kokain.