Zum Hauptinhalt springen

Grasser 2002, nun Gastinger 2006: Frust oder neuer Coup Schüssels?

Von Walter Hämmerle

Analysen

Der Auftakt zur letzten Wahlkampfwoche hat mit einem Paukenschlag begonnen. Justizministerin Karin Gastinger verlässt das vom Sinken bedrohte orange Schiff namens BZÖ. "Ausländerfeindlich", lautet das knappe Urteil der Ministerin über den Wahlkampf ihrer Partei.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Für BZÖ-Parteichef und Spitzenkandidat Peter Westenthaler ist damit ein "worst case"-Szenario eingetreten. Die ohnehin beschränkten Wahlchancen des orangen FPÖ-Abspalters schrumpfen damit wohl auf ein Minimum zusammen. Gastinger, seit wenigen Monaten Mutter, hatte nach innen wie außen das Image eines liberalen Aushängeschildes des BZÖ.

Dabei war die 42-jährige Kärntnerin durchaus federführend am schärferen Kurs der Regierung gegenüber Asylsuchenden und Migranten beteiligt, den sie in enger Abstimmung mit ÖVP-Innenministerin Liese Prokop umsetzte. Wesentlich Anteil an ihrem Image in der Öffentlichkeit hatten ihre mehrmaligen Versuche, das Familienrecht zu liberalisieren. Mit diesem Ansinnen blieb sie allerdings sowohl in ihrer Partei als auch in der Regierung allein auf weiter Flur.

Vom "Boxenluder" zum orangen Shooting-Star

Dass nun ihr plötzlicher Austritt aus dem BZÖ so hohe Wellen schlägt, war bei ihrem Einstige in die Politik nicht absehbar. Gastinger, damals noch unverheiratete Miklautsch, schien vielen nur eine Notlösung: Im Juni 2004 - Jörg Haider demontierte gerade Vizekanzler Herbert Haupt als Parteichef und hievte seine Schwester Ursula Haubner auf den Thron - verlor über Nacht Dieter Böhmdorfer die Lust am Justizministeramt.

In der hektischen Suche nach einer raschen Nachfolgelösung wurde der Kärntner Landeshauptmann in seiner eigenen Landesverwaltung fündig: Gastinger arbeitete als Juristin in der Wasserechtsabteilung des Landes Kärnten. Mit Parteipolitik hatte sie bis dahin nichts am Hut. Allseits als politisches Leichtgewicht belächelt - Haider selbst legte ihr ein rhetorisches Kuckucksei ins Nest, als er sie als "Boxenluder" bezeichnete -, überraschte sie Freunde wie Gegner mit viel Engagement und geschickter Inszenierung. Die Medien-Story vom orangen Shooting-Star Karin Gastinger war deshalb nach der Spaltung der FPÖ im April 2005 nur eine Frage der Zeit.

Natürlich weckt der Parteiaustritt Gastingers überdeutliche Erinnerungen an den Wahlkampf 2002. Damals war der fliegende Wechsel von FPÖ-Fanzminister Karl-Heinz Grasser auf die Seite der ÖVP der wahlentscheidende Coup Wolfgang Schüssels. Gastinger hat stets betont, auch nach den Wahlen Justizministerin bleiben zu wollen. Ihre liberalen Gesellschaftsansichten haben immer wieder Spekulationen befeuert, die SPÖ könnte ihr ein Angebot machen. Deren jüngste Attacken auf die Justiz im Zuge der Bawag-Affäre sowie die Reaktionen auf diesen Schritt verweisen diese Gerüchte in den Märchenbereich. Bleibt eigentlich nur die ÖVP.