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Grassers Verteidiger kritisieren die Ankläger in ihren Schlussplädoyers scharf und fordern einen Freispruch.
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Es ist ein kräftiger Gegenschlag, zu dem Karl-Heinz Grassers Verteidiger am Mittwoch ausholten. Nachdem die Staatsanwälte in ihren Schlussplädoyers Grassers Verurteilung gefordert hatten, teilten nun die Verteidiger hart in Richtung der Ankläger aus.
"Die Wahrheit ist schlicht und einfach: Nichts von dem, was Grasser seit elf Jahren von der Anklagebehörde vorgeworfen wird, ist wahr", sagte Manfred Ainedter. Das Schlussplädoyer der Staatsanwälte bezeichnete er als "Märchenstunde". Er warf ihnen vor, gegen das Objektivitätsgebot zu verstoßen. Es verpflichtet Staatsanwälte, entlastende und belastende Beweise für den Angeklagten im gleichen Maß zu berücksichtigen. Diese Vorgabe habe die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) "mit Füßen getreten".
Bereits während des Ermittlungsverfahrens sei Zeugen von Staatsanwälten gesagt worden: "Liefern Sie uns den Grasser", erklärte Ainedter. Das sei der Beginn einer "unglaublichen juristischen Vendetta gegen Grasser seitens der WKStA" gewesen.
Den Vorwurf der Ankläger, dass die Verteidigung während des Prozesses mit Nebelgranaten und Ablenkungsmanövern gearbeitet habe, wies er zurück. "Hoher Senat, es ist die verdammte Pflicht der Rechtsanwaltschaft, Derartiges schonungslos aufzuzeigen", sagte Ainedter. Als Negativbeispiel nannte er die Hausdurchsuchung gegen Grasser, die vor den Augen vorinformierter Medienvertreter stattgefunden hatte.
"Mediale Vorverurteilung"
Ainedter beklagte, dass es bereits zu Verfahrensbeginn "eine noch nie da gewesene mediale Vorverurteilung" gegeben habe. Diese habe auch im Hauptverfahren durch die begleitende Berichterstattung mittels Live-Ticker stattgefunden, so der Anwalt.
Besonders für die Schöffen sei es daher schwierig, unvoreingenommen zu entscheiden. "Dessen ungeachtet bin ich der Überzeugung, dass Sie zu einem richtigen Urteil kommen werden", sagte Ainedter. Dabei könne es sich nur um einen Freispruch seines Mandanten von allen Anklagepunkten handeln. "Das Verfahren hat eine allfällige Strafe mehr als ersetzt und Karl-Heinz Grasser die besten Jahre seines Lebens genommen."
Einen Freispruch forderte auch Grassers zweiter Anwalt, Norbert Wess. Der Rechtsanwalt sagte, dass ihn die Anklagebehörde überrascht habe. Bei dem Schlussplädoyer sei von den Staatsanwälten ausschließlich über Zahlungsflüsse gesprochen worden. "Das ist nahezu eine Missachtung der letzten drei Jahre", sagte Wess. Das Hauptverfahren sei komplett "ausgeblendet worden".
Grasser wird vorgeworfen, entscheidende Details aus dem Bieterverfahren um die Buwog-Privatisierung 2004 verraten und dafür Schmiergeld kassiert zu haben. Der Ex-Finanzminister bestreitet das.
Von den Anklägern sei "mit keinem Wort erwähnt worden, wann, wo und wie der Geheimnisverrat durch Grasser erfolgt ist", so Wess. Das sei entscheidend. Denn dadurch fehle die Tathandlung. Und "ohne Tathandlung ist alles hintenraus". Dann könne man zwar sagen: "Okay, es ist komisch, was der Meischberger da mit seinem Geld macht." Aber strafrechtlich relevant sei das dann aber nicht: "Ohne Tathandlung kein Strafdelikt."
"Es lohnt sich, kritisch zu bleiben"
Die entscheidenden Informationen aus dem Bieterverfahren seien mindestens 100 Personen bekannt gewesen, so Wess. Das würden Treffen zur Privatisierung, bei denen dutzende Personen teilgenommen haben, zeigen. Von zahlreichen Zeugen sei auch bestätigt worden, dass die Privatisierung korrekt abgelaufen sei.
Wie die Anklagebehörde verwendete Wess bei seinem Plädoyer Power-Point-Folien. Auf diesen stellte er Aussagen aus den Zeugenbefragungen dar und hielt seine Sicht der Dinge fest. "Es lohnt sich, kritisch zu bleiben", sagte er, zu den Schöffen gewandt. Etwa dann, wenn es um die Belastungszeugen gehe.
So sei Michael Ramprecht – er gibt an, dass die Buwog-Privatisierung getürkt war – mit "gutem Grund" nicht im Schlussplädoyer der Ankläger erwähnt worden, sagte Wess. Denn Ramprecht, ein einstiger Kabinettsmitarbeiter des Ex-Finanzministers, führe einen persönlichen Rachefeldzug gegen Grasser und belaste ihn aus niederen Beweggründen. Er sei daher nicht glaubwürdig, so Wess.
Das gelte auch für den zweiten maßgeblichen Belastungszeugen Willibald Berner. Er war Kabinettschef von Verkehrsminister Michael Schmid (FPÖ) unter Schwarz-Blau. Berner gibt an, dass Grasser und die anderen Angeklagten bereits im Jahr 2000 einen Tatplan ausgearbeitet haben, um bei künftigen Privatisierungen mitzuschneiden.
Berner sei dafür bekannt, unwahre Geschichten zu erzählen, sagte der Verteidiger. Zudem habe Berner versucht, Zeugen vor ihrer Einvernahme in der Hauptverhandlung in seinem Sinne zu beeinflussen.
Fest steht, dass die Buwog-Provision – laut der Anklage handelt es sich um Schmiergeld – von rund zehn Millionen Euro letztlich auf drei Konten in Liechtenstein landete. Meischberger gibt an, dass alle drei ihm gehörten. Das sieht die WKStA anders: Nur eines sei Meischberger zuzuordnen, ein anderes gehöre Ernst-Karl Plech und das Konto namens "400.815" Grasser.
"Das Konto 400.815 hat nie Grasser gehört, kein einziger Zeuge hat das behauptet. Keiner hat irgendeine Wahrnehmung oder Bestätigung dafür, dass man dieses Konto irgendwo auch nur im Ansatz ihm zuordnen kann", sagte Wess.
"Wer erfindet so ein Geständnis?"
Auf das Teilgeständnis Peter Hocheggers, das Grasser belastet, ging Wess nur kurz ein. Es sei klar, dass die Aussage des Lobbyisten nicht glaubwürdig sei. Daher sei Hochegger auch im Schlussplädoyer der Staatsanwälte kaum vorgekommen: "Die glauben selbst nicht dran."
Das wollte Leonhard Kregcjk, Hocheggers Verteidiger, so nicht stehen lassen: "Mein Mandant hat mit offenen Karten gespielt." Hocheggers Verantwortung müsse so wie jede Aussage überprüft werden. Aber: "Wer erfindet in so einem Verfahren ein Geständnis von so einer Tragweite?", fragte Kregcjk.
Jörg Zarbl, Walter Meischbergers Verteidiger, forderte einen Freispruch. Beweise für einen Tatplan gebe es nämlich nicht: "Es ging nur darum, Karl-Heinz Grasser zu jagen", sagte der Rechtsanwalt.