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Grätzl-Tour in Ottakring

Von Selina Nowak

Politik
Wolfgang Schneider und Götz Bury auf Grätzl-Tour.

Das Festival boomt. Den Stadtteil, in dem es stattfindet, hat es verändert.


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Wien. "Soho in Ottakring" jährt sich zum 13. Mal. Die Schwerpunkte liegen seit jeher auf Kunst im öffentlichen Raum, Stadtentwicklung und sozialen Themen. Festival und Bezirk haben eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht und sich wechselseitig beeinflusst. Ein Rundgang zeigt, was es alles zu entdecken gibt.

Station 1: Götz Bury’s Atelier in der Grundsteingasse. "Kochstudio" steht auf dem Schaufenster, hier bastelt der Künstler an den Requisiten für seine schrägen Kochshows, in denen gerne schon mal die Zubereitung von Nacktschnecken vorgeführt wird. Früher war das Gebäude ein Gasthaus. Im Hinterhof, wo einst der Tanzsaal war, ist nun eine Ateliergemeinschaft beheimatet.

Seit 25 Jahren lebt und arbeitet Bury im Brunnenviertel. Damals sollte der Markt, das Herz des Viertels, aus Hygienegründen abgerissen werden. Die Gegend war heruntergekommen, "die Leute haben nichts mehr in ihre Häuser investiert, weil sie keine Perspektive gesehen haben." Wolfgang Schneider von der Festivalleitung kann sich ebenfalls an diese Zeit erinnern: "Die Zeitungen schrieben über den Slum von Wien, FPÖ-Politiker haben sich ablichten lassen, wie sie auf umgeschmissene Mülltonne zeigen, quasi Schandfleck."

Doch dann steckte die Stadt viel Geld in die Renovierung des Brunnenmarkts sowie in sogenannte "Sockelsanierungen" der umliegenden Gebäude. Das lockte Investoren an, allerorts wird nun gekauft, renoviert, manchmal abgerissen. Da blutet manchem Anwohner das Herz, aber nicht Wolfgang Schneider: "Wenn sich was verändert, heißt es Verdrängung, Katastrophe, das Wort Gentrifizierung wurde entdeckt. Soho spielte bei der Debatte oft eine Rolle, so als ob unser Festival die Mieten in die Höhen treiben könnte! Uns war von Anfang an klar, dass sich Dinge verändern werden, sie aber aufzuhalten ist absurd. Wir können sie mitgestalten und dafür eintreten, dass keine reine Kommerzialisierung passiert."

Multi-Kulti wird bejaht

Station 2: Das Café Messner ist ein typisches Marktcafé: Hier gibt es Wein, Würstel, Wiener Küche, aber auch Bio Limo und Coffee to go. Ab Samstag kredenzt Wirt Richard Messer etwas ganz Spezielles: Schneckenknödel - aus Weinberg-, nicht Nacktschnecken. Kreiert hat die Speise die Künstlerin Isabela Grosseova. Für "Soho" hat sie sich mit der Geschichte des Bezirks befasst und historische Menüs entworfen. Messner war von Anfang an beim Festival. "Damals warn’s 200 Maxln, jetzt kommen Tausende. Es ist ein richtig großes Event geworden." Die Geschäftsleute der Gegend hätten "Soho" von Anfang an unterstützt. Wirtschaftskammer, Bezirksvorsteher, Arbeiterkammer, Geschäftsleute und Künstler - alle zogen an einem Strang.

Obwohl viele Häuser heute türkische Besitzer haben, sind die Unkenrufe von einem sterbenden genuin österreichischen Alt-Ottakring leiser geworden. Schneider glaubt, man sehe jetzt mehr das Positive an Multikulturalität, hat aber den Eindruck, es sei "leider oft noch ein Nebeneinander, selten aber auch ein Miteinander."

Station 3: Die am Yppenplatz angesiedelte Brunnenpassage bekam den Österreichischen Integrationspreis. Nebenan auf der Piazetta findet heuer die Festival-Eröffnung statt. Weiter hinten, Richtung Spielplatz, steht das ehemalige Marktamt, dessen Schild noch über dem Eingang hängt. Innen nützt eine taiwanesische Künstlergruppe das Gebäude für Performances und Installationen.

Jedes Jahr werden Gastkünstler eingeladen, auch Projekt-Einreichungen kommen aus der ganzen Welt. Für Schneider bedeutet das "eine immense kuratorische Anstrengung, ernsthafte künstlerische Arbeiten und globalen Themen zu bieten und trotzdem hier lokal verankert zu bleiben".

Station 4: Eigentlich schon in Hernals liegt das Etablissement Gschwandner, ein im 19. Jahrhundert erbautes ehemaliges Varietétheater. Heuer ist es zentraler Spielort. Die Säulenhalle ist beeindruckend, hinter billigem Putz auf den Wänden lugen stellenweise bunte Fresken hervor. Jahr für Jahr bespielt "Soho" brachliegende Kleinode. Im besten Fall wird der Ort nachher weiter genutzt, oft steht er wieder leer, wie die alte Großmetzgerei: Im ehemaligen Schlachthaus, zu dem ein Eingang neben dem Restaurant Etap führt, fand 2003 die "Soho"-Eröffnung statt, die das Fassungsvermögen des Gebäudes beinahe sprengte. "Alle, inklusive Polizei, waren völlig perplex."