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Graz, Strache und die neue Dimension von Hetze

Von Clemens Neuhold

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Panik, Ohnmacht, Entsetzen, Hilflosigkeit, Trauer: Die Amokfahrt von Graz rief viele Gefühle hervor. In der Gefühlsküche von Heinz-Christian Strache brodelte ad hoc eine andere Emotion hoch: Islamophobia. "Wahnsinnstat in Graz! Der Täter ist aus Bosnien. Ein religiös begründetes Attentat wird nicht ausgeschlossen", schrieb er an seine 220.000 Facebook-Leser.

Wutmotor

Wütende Kommentare über Ausländer, Bosnier und Muslime ließen nicht lange auf sich warten. Strache hatte gezünde(l)t, und der Wutmotor lief auf Hochtouren. Dann die vorläufige Klarstellung: Eine Psychose des amtsbekannten Gewalttäters soll Auslöser der Wahnsinnstat gewesen sein.

Stellen wir uns vor, der Österreicher mit bosnischen Wurzeln (er ist seit seinem vierten Lebensjahr in Österreich) wäre nachweislich dem Aufruf der islamistischen Terrororganisation IS gefolgt oder hätte IS-Methoden in seinem Wahn zumindest kopiert (der IS hatte ja Einzeltäter im Westen aufgefordert, Ungläubige wahllos mit dem Auto zu überfahren und mit dem Messer zu schlachten). Die Stimmung im Land würde kippen - noch stärker gegen den Islam und in Richtung FPÖ. Und seit Graz wissen wir auch: Strache, der Kanzler sein will, würde noch kräftig antauchen.

Wenn der "Kanzler" zündelt

Er würde den Generalverdacht gegen 200.000 bosnischstämmige Mitbürger, die sich mehrheitlich zum Islam bekennen, nicht nur auf Facebook salonfähig machen. Menschen, die aus einem Land stammen, das seit der Monarchie viel mehr mit Österreich verbindet als trennt; das trotz aller wahhabitischen Einschläge einen betont liberalen Islam repräsentiert; dessen Bürger sich nach dem Bosnienkrieg großteils nahtlos in die Gesellschaft eingefügt haben. Menschen dieser Community würde nach einer Wahnsinnstat nicht zugestanden, "nur" psychisch durchgeknallt zu sein wie Amokläufer ohne "Hintergrund". Aufgrund von Herkunft und Religion stünden sie offiziell so lange in der Extremismus-Ecke, bis das Gegenteil bewiesen ist.

Hetze laut Strache-Duden

Wenn Politiker begründen, warum sie mit "dieser" Strache-FPÖ nichts zu tun haben wollen, begründen sie das gerne mit der blauen "Hetze". Das verkam zuletzt zur Standardfloskel. Mit seiner Ad-hoc-Reaktion auf die Amokfahrt hat Strache den Begriff selbst wieder mit Leben erfüllt und der Republik seine eigene Definition ins Stammbuch geschrieben.

"Der Täter ist aus Bosnien", warnte Strache sein grundalarmiertes Publikum. Das erste Opfer, ein frisch vermählter 28-jähriger war es auch. Und allesamt waren sie auch Österreicher.