"Chef Haselsteiner verkauft Österreichs Anti-Atompolitik." | Bratislava. Die österreichische Strabag hat den Zuschlag für die Fertigstellung des slowakischen Kernkraftwerks Mochovce erhalten. Das berichtet die Umweltschutzorganisation Greenpeace unter Berufung auf das slowakische Amt für das öffentliche Vergabewesen. Das Bauunternehmen wird den dritten und vierten Reaktor des AKWs fertigstellen. Die beiden Reaktoren sollen zwischen 2012 und 2013 in Betrieb genommen werden. Der Auftrag hat ein Gesamtvolumen von 88 Millionen Euro.
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"Für eine Handvoll Silberlinge verkauft Strabag-Chef Haselsteiner Österreichs Anti-Atompolitik", kommentierte Greenpeace-Sprecher Jurrien Westerhof am Donnerstag die Entscheidung der Behörde. Er forderte Strabag-Geschäftsführer Hans Peter Haselststeiner zum Rückzug "aus dem Geschäft mit Mochovce" auf. Greenpeace kritisiert an der Erweiterung von Mochovce vor allem, dass die noch im Bau befindlichen Reaktoren wie die schon vorhandenen vom alten sowjetischen Typ WWER 440-213 seien und "entgegen allen gängigen Normen" ohne Sicherheitseinschluss gebaut werden.
Nach dem Zuschlag für Strabag dürfte sich die österreichische Regierung schwertun, noch glaubwürdig zu erscheinen, insofern sie weiterhin gegen den Bau von Kernkraftwerken in Nachbarländern protestiern will.
Slowakei favorisierte heimische Firmen
Im Anschluss an die grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung und bilaterale Gespräche wegen des Mochovce-Ausbaus hatte das Lebensministerium noch Mitte Dezember eine Stellungnahme an das slowakische Umweltministerium gesandt, wonach "einige Themen einer vertieften Erörterung auf technischer Ebene bedürfen". Das betreffe die seismische Auslegung und Gefährdung, schwere Unfälle, die Integrität des Reaktordruckbehälters und den, nunmehr erneut von Greenpeace monierten, Sicherheitseinschluss.
Mit Blick auf die slowakische Regierung verwundert die Entscheidung zu Gunsten von Strabag. Nach offizieller Lesart galten die Österreicher nämlich bisher nicht als Favorit für die Fertigstellung der beiden Reaktoren, zumal die italienische Enel, die zu 66 Prozent an der Mochovce-Betreibergesellschaft Slovenské elektrárne beteiligt ist, immer wieder dazu ermuntert wurde, inländische Unternehmen heranzuziehen.
In Italien selbst steht die Regierung wegen des Baus von Atomkraftwerken derzeit unter heftigem Beschuss von der Opposition. Die oppositionelle Demokratische Partei (PD) veröffentlichte eine Liste des nationalen Komitees für Atomenergie, die laut Experten für den Bau von Atomkraftwerken in Italien geeignet wären. Zu den Standorten, die laut Experten für neue Atomkraftwerke in Frage kämen, zählt ein Gebiet entlang des Flusses Tagliamento zwischen Spilimbergo (Spengenberg) und Latisana unweit an der Grenze zu Kärnten.
Entschädigung fürStraßenbau-Stopp?
Strabag, die ansonsten eine führende Rolle im Ausbau der slowakischen Verkehrsinfrastruktur spielt, betritt mit der Fertigstellung der Reaktor geschäftliches Neuland. Allerdings wurde zuletzt der Bau weiterer Autobahnkilometer in der Slowakei wegen der Krise bis auf weiteres verschoben. Der Zuschlag für Mochovce lässt sich als Kompensation für den Wegfall anderer Aufträge deuten, mit der sich Bratislava einen wichtigen Auslandsinvestor erhalten will.