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Grenzen ausloten, Scheitern erlaubt

Von Thomas Seifert

Politik
Alpbach-Präsident Franz Fischler 2013 in honoriger Runde, u.a. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Bundespräsident Heinz Fischer und UN Under-Secretary-General Valerie Amos.
© Luia Puiu/Europäisches Forum Alpbach

Von 13. bis 29. August wird das Tiroler Bergdorf Alpbach wieder zum "Dorf der Denker".


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Wien. "Wenn wir wollen, dass alles bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, daß alles sich verändert." Dieses Zitat aus "Der Leopard" (Il Gattopardo) dem Roman des Schriftstellers Giuseppe Tomasi di Lampedusa, taugt auch als Motto für das Europäische Forum Alpbach, das jeden Sommer im Dorf der Denker, dem 2572-Einwohner-Dorf im Bezirk Kufstein, abgehalten wird. Alpbach hat sich seit der Gründung 1945 als "Internationale Hochschulwochen" in den Jahrzehnten seit 1945 immer wieder neu erfunden.

"Berge, Fahnen, Trachten, Blasmusik und Politikerreden, dazu die Bundeshymne und das Andreas-Hofer-Lied", so habe sie Alpbach 1973 erfahren, schrieb die spätere Ehefrau von Alpbach-Gründer Otto Molden, Koschka Hetzer-Molden, später im Wochenendsupplement "Spectrum" der "Presse". Und heute?

Galtenberg, Sonnenjoch und Gratlspitze stehen noch, zu den Trachtigen haben sich immer mehr Anzugträger gesellt, und nebst Bundeshymne und Andreas-Hofer-Lied wird heute in Alpbach gerne die Europahymne, die "Ode an die Freude" gespielt.

Die Sehnsucht, ein wenig auszusteigen aus dem, was täglich vorbeirauscht, und der Wunsch nach Raum, in dem Reflexion möglich ist, war einer der Motive für die Kulturmanagerin Artemis Vakianis vergangenes Jahr beim Format "Alpach in Motion" dabei zu sein.

Was ist Marktwirtschaft? Für Angelsachsen & Zentraleuropäer?

Eine bunte Gruppe von jungen Führungskräften hatte es sich zum Ziel gesetzt, die "Zukunft unseres Wirtschaftsmodells" zu diskutieren. "Wir wollten nichts weniger als ein neues Paradigma, und daran sind wir natürlich kolossal gescheitert", erzählt Vakianis der "Wiener Zeitung", aber dieses Ausloten der Grenzen und letztliche Scheitern, das Diskutieren "jenseits der klassischen Plattitüden", das Einfordern einer Wertediskussion sei es gerade gewesen, was die Diskussionsrunde so spannend gemacht hat. Der frühere österreichische Agrar-Kommissar, Ex-Landwirtschaftsminister und heutige Alpbach-Präsident Franz Fischler ist einer der Miterfinder dieses Formats, dessen Ziel es war, "jungen Führungskräfte aus Europa miteinander darüber ins Gespräch zu bringen, was Marktwirtschaft eigentlich bedeutet. Denn je nach Tradition - angelsächsisch oder zentraleuropäisch - gibt es unterschiedliche Vorstellungen darüber."

Fischler ist ein Verfechter des Ausprobierens neuer Veranstaltungsformate, "es braucht dringend Entscheidungen, aber mit den bisherigen Analysetools und Methoden stößt man rasch an die Grenzen. Da ist gerade ein riesiger Gärungsprozess in unserer Gesellschaft im Gang", sagt er, als sei es am Klügsten, Neues auszuprobieren - und das Neue sei eigentlich ohnehin der alte Geist von Alpbach, Interdiszipliarität, Grundlagenarbeit, Mut zum Querdenken.

Veränderungen gibt es auch bei den Wirtschaftsgesprächen - neben den Politischen Gesprächen jener Alpbach-Programmpunkt mit der größten Publicity im Land. Bisher war die Industriellenvereinigung exklusiver Partner dieser vom 26. August bis 28. August stattfindenden Veranstaltung, ist aber ausgestiegen, nachdem auch die Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer als Partner dieses Programmpunkts eingeladen worden sind. Wirtschaft sei aber mehr als Industrielle und Firmeneigner, sondern alle am Wirtschaftsgeschehen beteiligten, verteidigte Fischler im Dezember 2013 seine Haltung nach dem Bekanntwerden des IV-Ausstiegs aus Alpbach.

Soziale Ungleichheit als Schwerpunkt-Thema

Die Wirtschaftsgespräche werden durch diese Öffnung wohl eine neue Richtung nehmen: Branko Milanovic, der frühere Chefökonom der Weltbank und Weggefährte des kürzlich in Wien wie ein Popstar empfangenen Ökonomen Thomas Piketty, wird zum Thema, wie die Finanzkrise die soziale Ungleichheit in Europa verschärft hat, diskutieren.

Ungleichheit ist einer der zentralen Diskussionspunkte beim diesjährigen Forum: Der Direktor des Earth Institute an der Columbia University in New York, Jeffrey Sachs (er war auch 2013 Gast in Alpbach), wird mit dem Chef der Weltklimakommission Rajendra Kumar Pachauri, der Klima-Aktivistin und früheren Präsidentin von Irland, Mary Robinson und dem Generaldirektor des IIASA (International Institute for Applied Systems Analysis) in Laxemburg, Pavel Kabat, über Ungleichheit und nachhaltige Weltordnung sprechen.

Alpbach-Geschäftsführer Philip Narval kann übrigens mit dem Motiv, warum der bekannte Ökonom Jeffrey Sachs nach Alpbach kommt, dienen: Seine Frau Sonia Sachs habe ihm gesagt, beide würden Alpbach dem "üblichen Schaulaufen der Eitelkeiten vorziehen" und am nächsten Morgen, nach den Debatten in die Berge gehen. So könne man in Alpbach zur Ruhe kommen.

Forum Alpbach