Analyse: Rückführungen und Abweisungen von Asylwerbern praktisch schwer durchführbar.
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Wien. Der Ton in der Asylpolitik wird schärfer. Nach 90.000 Asylanträgen im Vorjahr sollen heuer nicht mehr als 37.500 geflüchtete Menschen ein Asylverfahren in Österreich bekommen. In ein Gesetz wird diese Obergrenze oder Richtwert, die Regierung ist sich beim Begriff weiterhin uneinig, nicht festgeschrieben. Das wäre verfassungsrechtlich nicht möglich, wie das Gutachten der Juristen Walter Obwexer und Bernd-Christian Funk zeigt. Aber eine Reihe von Maßnahmen und Verschärfungen im Asylrecht sollen zu einer spürbaren Reduktion der Flüchtlinge führen. Die "Wiener Zeitung" berichtete. Allerdings bringen die Ankündigungen der Regierung eine Reihe von Unbekannten und Lücken mit.
Die Pläne der Regierung sehen vor, dass mehr Flüchtlinge direkt an der Grenze abgewiesen werden. Vor Ort soll im Zuge von Schnellverfahren ermittelt werden, ob überhaupt ein ordentliches Asylverfahren in Österreich eingeleitet wird. Die besten Chancen haben jene, die schon Familie in Österreich haben oder beweisen können, dass nach einer Abweisung Lebensgefahr und Verfolgung drohen. Alle anderen dürfen nicht hier bleiben.
Das Problem dabei ist allerdings, dass jetzt schon kaum Asylanträge direkt an der Grenze gestellt werden. Die Schließung der Balkanroute hat den Zustrom praktisch abgedreht, erklärte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil vor Journalisten. Mittlerweile wird der überwiegende Teil der Asylanträge wieder direkt im Land gestellt. Künftig sollen auch Menschen, die illegal mit der Hilfe von Schleppern ins Land kamen, an die geplanten Registrierzentren nahe der Grenze gebracht werden und ein Schnellverfahren durchlaufen. Und gegebenenfalls in einen sicheren Drittstaat oder EU-Nachbarn zurückgewiesen werden, über den sie nach Österreich kamen.
Rückführungen schwierig
Hier ergibt sich die zweite Schwierigkeit. Im Zuge der Dublin-III-Verordnung konnte Österreich auch davor Menschen in einen sicheren Nachbarstaat zurückschicken. Praktisch war das aber nicht immer so einfach.
Die Jahresstatistik 2015 des Innenministeriums (BMI) zeigt, dass im Vorjahr 649 Personen an der österreichischen Grenze abgewiesen wurden und 6798 Personen zurückgeschoben wurden, zum Beispiel im Rahmen eines bilateralen Übernahmeabkommens.
Das Bundesamt für Asyl- und Fremdenwesen zählt 5087 freiwillige Ausreisen von Asylwerbern und 3278 zwangsweise Ausreisen. Die Zahlen decken sich zum Teil mit jenen des BMI. Darin enthalten sind auch sogenannte Dublin-Fälle, in denen Flüchtlinge in jenes EU-Land zurückgewiesen wurden, in dem sie schon ein Asylverfahren beantragt haben.
Oft haben aber im Land aufgegriffenen Flüchtlinge einfach verschwiegen, über welche Route sie eingereist sind. "Wenn wir nicht wissen, wo sie herkommen, müssen sie hier bleiben, das ist so", sagte Wolfgang Taucher, Direktor des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl am Rande der Präsentation des Asyl-Gutachtens am Mittwoch.
Die zweite Schwierigkeit ist, dass in der Vergangenheit Rückführungen in sichere Nachbarländer nicht reibungslos funktioniert haben. 2011 hat man auf EU-Ebene aufgrund der Lage vor Ort beschlossen, keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland abzuschieben, auch wenn sie dort erstmals EU-Boden betreten haben. Und auch Rückführungen nach Italien und Ungarn sind in der Praxis schwierig bis kaum möglich. Laut einer Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs von 2014 muss Österreich im Einzelfall genau prüfen, ob Flüchtlinge in Italien im Asylverfahren angemessen betreut werden. Und in einer Reihe von Einzelfällen werden sie das nicht.
Gleiches gilt seit September 2015 für Ungarn, das als erstes EU-Mitglied begonnen hat, sich einzuzäunen. Die Lage für Flüchtlinge ist dort verheerend, also werden seitdem de facto keine Asylsuchenden mehr nach Ungarn zurückgeschickt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Abschiebung einer Asylwerberin nach Ungarn gestoppt. Damit die Regierung künftig wieder mehr zurückweisen kann, müssen diese Entscheidungen entweder aufgehoben oder ignoriert werden.
Gespräche mit EU-Nachbarn
Die Bereitschaft der Nachbarländer, in Österreich abgewiesene Flüchtlinge aufzunehmen, hält sich ohnehin in Grenzen. Laut Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat man begonnen, die EU-Nachbarn über die Vorhaben Österreichs zu informieren. Wie sich die bilateralen Gespräche entwickeln und wie viel Rücknahme-Bereitschaft da ist, ist nicht bekannt.
Bei den neuen Asyl-Bestimmungen, die zwischen Mitte Mai und 1. Juni in Kraft treten sollen, geht es aber ohnehin darum, dass Schutzsuchende erst gar nicht an Österreichs Grenze gelangen. Allein die Ankündigung von Grenzkontrollen hat dazu geführt, dass alle Länder entlang der Balkanroute ihre Grenzen dichtgemacht haben und nun tausende Menschen in Idomeni gestrandet sind. Verteidigungsminister Doskozil richtete erneut ein Hilfeangebot an die Grenzschutzagentur Frotex. Er will zudem am Freitag mit seinen Amtskollengen der zentral- und osteuropäischen Staaten über das weitere Vorgehen beraten. Und bekanntlich macht der Ton die Musik.