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Grenzen des Wachstums: Warum werden Wale nicht noch größer?

Von Alexandra Grass

Wissen

US-Forscherteam beobachtete das Fressverhalten über zehn Jahre.


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Seattle/Wien. Blauwale und Pottwale sind nicht nur irgendwie groß. Sie zählen zu den größten Tieren, die sich jemals auf unserem Planeten entwickelt haben. Sie konkurrieren mit den Dinosauriern und übertreffen sie in manchen Fällen sogar. Der Blauwal erreicht immerhin eine Länge von mehr als 30 Metern und ein Gewicht von bis zu 200 Tonnen. Damit ist er das größte und schwerste Tier der Erde. Auch andere Wale, wie etwa Orcas, sind wesentlich größer als die meisten Lebewesen an Land - wiewohl sie lange nicht die Dimension ihres großen Bruders im Ozean erreichen. "Das ist richtig spektakulär", sagt Nicholas Pyenson vom Smithsonian National Museum of Natural History. Aber warum sind die Unterschiede so bemerkenswert? Und warum werden Wale nicht einfach noch größer? Diesen Fragen gingen Forscher um den Biologen Jeremy Goldbogen von der Stanford University auf den Grund.

Energie der Schlüssel für Leben

Seit Jahrzehnten wundern sich Wissenschafter über die Begrenztheit des Wachstums. Weil die größten lebenden Kreaturen die meiste Zeit unterhalb der Wasseroberfläche verbringen, ist es schwierig, ihre Verhaltensweisen zu erkunden. Und damit auch schwierig herauszufinden, welche Einflüsse für diese Limitierung verantwortlich sein könnten. Das Forscherteam hat deshalb über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg das Fressverhalten von hunderten Walen beobachtet und analysiert. Die Tiere waren dafür mit Trackern ausgerüstet worden. Den Studienresultaten zufolge wird die Größe eines Wals vor allem von seiner Ernährungsweise und der vorhandenen Nahrung beeinflusst, berichten die Forscher im Fachblatt "Science". Also alles eine Frage der Energie.

"Energie ist eine Schlüsselwährung für alles Leben, und wir wollten wissen, wie ihr Gewinn im Vergleich zum Verbrauch bei der Futtersuche von Walen mit unterschiedlichen Körpergrößen und Ernährungsstrategien ist", erklärt Goldbogen in der Studie. Hierbei fanden sich tatsächlich große Unterschiede.

An Land ernähren sich große Tiere für gewöhnlich von großer Beute, kleine Tiere von kleiner. Diese Tatsache ermöglicht ein gesundes Gleichgewicht von Energiegewinn und -verbrauch. Bei Walen gab es bisher nur Spekulationen und Unverständnis. Obwohl sie mit ihrer Körpergröße jegliche Skalen sprengen, ernähren sich etwa Blauwale von winzigem Plankton, das sie wie alle anderen Bartenwale aus dem Wasser filtern. Hier scheint des Rätsels Lösung nicht in der Größe, sondern viel mehr in der Menge zu liegen. Den Forschern zufolge filtern die Giganten fast immer mehr Energie aus dem Meerwasser, als sie mit ihren Beutetauchgängen verbrauchen.

Zahnwale wie Pottwale oder Delfine wiederum wenden mit ihren tiefen Tauchgängen und der Echoortung wesentlich mehr Energie auf. Würden etwa Pottwale, mit mehr als 20 Metern Länge die größten Zahnwale, noch größer werden, wären diese Energiekosten zu hoch, um dauerhaft überleben zu können.

Evolutionäre Sackgasse

Bei Bartenwalen dürfte die begrenzte Größe an der Futterverfügbarkeit liegen, die saisonal schwankt. In Jahreszeiten mit hohem Krillvorkommen bauen etwa Blauwale Fettreserven für ihre langen Wintertouren zu ihren Brutstätten quer durch die Ozeane auf. Dort ist das Nahrungsangebot wesentlich hagerer. Eine weitere Limitierung könnte auch physiologisch bedingt sein. Der Fressapparat von Bartenwalen sei ideal darauf ausgerichtet, so viel krillreiches Wasser so schnell wie möglich aufzunehmen. Mehr Körpergröße könnte sich negativ auswirken.

Die Studie unterstreicht zudem die prekäre Lage, in der sich die Wale innerhalb ihres Ökosystems befinden. "Man muss sich fragen, wie gefährlich es für Wale ist, auf einer energetischen Messerschneide zu leben", erklärt der Pyenson. Der Klimawandel, die Überfischung und andere Bedrohungen für die Meere und die Krillmenge könnten für die Tiere dramatische Folgen haben.

"Wenn du ein Blauwal bist und deine einzige Nahrung ist Krill und etwas sorgt für dessen Rückgang, dann befindest du dich in einer evolutionären Sackgasse", erklärt Pyenson. "Deshalb ist es für uns ein guter Grund, das Verhältnis von Jäger und Beute besser zu verstehen."