Zum Hauptinhalt springen

Grenzenlos von Portugal bis Estland

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Weniger illegale Grenzübertritte nach Slowenien. | Minister: Grenzschutz grundsätzlich einfach. | Kooperation und Überwachung entscheidend. | Laibach. Die meisten Mitgliedsstaaten der EU rücken noch enger zusammen: Ab 21. Dezember gibt es keine Grenzkontrollen mehr zwischen 24 europäischen Staaten. Von Südportugal bis in den Norden Estlands wird grenzenlose Reisefreiheit herrschen. Dafür arbeiten die Sicherheitsbehörden der Länder enger zusammen und verfügen auch schon über eine gemeinsame Polizeidatenbank. Die neuen Außengrenzen des dann 3,6 Millionen Quadratkilometer großen Schengen-Raums müssen die neuen Mitglieder überwachen. Dazu sind sie auch in der Lage. Das wird ihnen nach zahlreichen Überprüfungsmissionen von Experten aus den bisherigen Mitgliedsländern und Brüssel bescheinigt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Auf Lokalaugenschein war die "Wiener Zeitung" in Slowenien. Eines gleich vorweg: Die Südgrenze scheint sicher. Die Zahl der illegalen Grenzübertritte hat sich in den vergangenen Jahren deutlich reduziert. Wurden im Jahr 2005 noch 5890 Illegale aufgegriffen, waren es 2006 nur noch 3992 und in diesem Jahr bis Ende September lediglich 1877. Problemfelder seien derzeit noch die 90 Kilometer lange Grenze zu Kroatien und der Flughafen Joze Pucnik bei Ljubljana, erläutert Sloweniens Innenminister Dragutin Mate, der keinen Aufwand gescheut hat: 200 Millionen Euro wurden in den Aufbau der Grenzsicherheit gesteckt, noch einmal 170 Millionen hat die EU dazu gezahlt. Der Flughafen, auf dem die Grenzkontrollen erst Ende März 2008 fallen, ist laut Mate nach dem Bau eines komplett neuen Terminals bereits Schengen-reif.

Und das Konzept für dichte Grenzen sei eigentlich denkbar einfach, meint der Innenminister: "Ausreichend und gut ausgebildete Polizeikräfte, enge Zusammenarbeit mit den Nachbarländern und gute Beziehungen mit der im Grenzraum ansässigen Bevölkerung." Denn nicht weniger als 75 Prozent der illegalen Grenzübertritte würden von Bürgern gemeldet. 70 Prozent aller illegal Eingewanderten schicken die Slowenen binnen drei Tagen zurück.

Allheilmittel Datenbank?

Ein zentrales Element ist für Sloweniens Innenminister der Datenaustausch: Ihm schwebt der Start des vollautomatischen Abgleichs von DNA- und Kfz-Daten mit Österreich schon im ersten Halbjahr 2008 während des slowenischen EU-Vorsitzes vor. Bisher funktioniert das lediglich zwischen Österreich und Deutschland. Dass Mate auch einen umfassenden Datenaustausch mit allen Ländern des Westbalkans anstrebt, dürfte dagegen in den meisten EU-Ländern auf wenig Gegenliebe stoßen. Jüngste Kommissionsberichte über die Region hatten vor allem die strukturelle und weit verbreitete Korruption und großen Einfluss der organisierten Kriminalität kritisiert - die Informationen könnten leicht in falsche Hände gelangen.

Dafür sind bereits seit Anfang September alle neuen Schengen-Länder an die gemeinsame Polizeidatenbank, das Schengen-Informationssystem (SIS), angeschlossen. Zwei Millionen Anfragen verzeichnete Slowenien seither, in mehr als 1200 Fällen waren es Treffer. Beispiele dafür sind Personen, die in einem Mitgliedsland als Verbrecher oder Zeugen gesucht werden oder für die ein Aufenthaltsverbot besteht. Im SIS sind auch gestohlene Fahrzeuge, Dokumente, Waffen oder Banknoten eingetragen. Auf diese Daten können im Schengen-Raum sämtliche Polizisten relativ unkompliziert per Laptop zugreifen.

Kooperiert wird auch direkt an den sogenannten grünen Grenzen, die im Fall von Slowenien bis zu 3100 Beamte sichern. Mit Hunden und Pferden durchforsten die Patrouillen die Grenzgebiete, unterstützt durch die kroatischen Nachbarn.

Spezialeinheit greift durch

Eine Geheimwaffe der slowenischen Regierung ist die Spezialeinheit für die Grenzüberwachung (SUSSB). Diese operiere im ganzen Land, erläutert Kommandant Dusan Schoenwetter. Er und sein gut zwei Meter großer Stellvertreter Robert Rener wirken kompromisslos: Sie könnten "sofort überall zugreifen", erklärt Schoenwetter, dessen Einheit ausschließlich in zivilen Fahrzeugen unterwegs ist und rund um die Uhr arbeitet. Wie ihr Alltag aussieht, demonstrieren die Spezialisten anhand einer Filmaufnahme von einem realen Einsatz: Ein weißer Kastenwagen rast mit Tempo 180 vor dem Einsatzwagen her - mit 30 Illegalen im Laderaum. Nach 40 Kilometer werden die Schlepper, die auch geschlossene Schranken durchbrochen haben, schließlich gestoppt. Der bisher größte Drogenfund der Abteilung seien 33,5 Kilo reines Heroin gewesen, berichtet Rener.

Neben dem SIS sind die Polizeikooperationszentren in der Grenzregion ebenfalls wichtige Informationsquellen. Eines davon betreiben Österreich, Slowenien und Italien gemeinsam in Thörl-Maglern. "Alle Daten in den nationalen Polizeidatenbanken werden ausnahmslos und rasch ausgetauscht", sagt der österreichische Koordinator Bernhard Lora. Nachforschungen würden in allen Schengen-Ländern durchgeführt. Park- oder Geschwindigkeitsstrafen seien aber nicht dabei, "hier geht es um echte Verbrechen."

Je weniger Grenzen es gebe, desto wichtiger würden die rund um die Uhr besetzten Zentren, meint Lora. Nach 15.000 Anfragen im Jahr 2005 waren es im Vorjahr bereits 55.000. Österreich betreibt mit seinen Nachbarländern fünf solche Einrichtungen.

Ab 21. Dezember werden sie noch mehr zu tun bekommen. Alle neuen EU-Länder außer Zypern, Bulgarien und Rumänien gehören dann dem Schengen-Raum an. Formell werden die EU-Innenminister das noch Anfang Dezember beschließen, nachdem sich das EU-Parlament bereits am Donnerstag zustimmend geäußert hat. Schon dabei sind Island und Norwegen, nicht aber die EU-Staaten Großbritannien und Irland. Schweiz und Liechtenstein wollen ab November 2008 mitmachen.