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Grenzgänger im eigenen Land

Von Martyna Czarnowska

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Zöllner aus Serbien und dem Kosovo sollen ab der kommenden Woche gemeinsam ihren Dienst versehen - Protest dagegen ist schon angemeldet.


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Am Ende der Brücke haben sie ihren ganz persönlichen Grenzübergang errichtet. Nur dass das Passieren hier gar nicht möglich ist. Es ist eine Straßenblockade, errichtet aus Steinen und Stacheldraht. Davor haben die Männer ein Zelt aufgestellt; breitbeinig und stiernackig sitzen sie auf mitgebrachten Hockern und beobachten, wer sich in ihrer Umgebung bewegt.

Für sie ist es ihr Territorium, ihr Stadtteil. Sie leben im gleichen Land wie die Menschen auf der anderen Seite der Brücke, doch das akzeptieren sie nicht. Für sie ist es Serbien. "Serbien für immer", wie ein Plakat in kyrillischer Schrift bekundet.

Dabei heißt der Ort Kosovska Mitrovica und gehört zu einem Staat, der vor fast vier Jahren seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt hat. Doch diese hat auch Belgrad bisher nicht anerkannt. Die serbische Bevölkerung im Norden des Kosovo, ein paar zehntausend Menschen, tut es ihnen gleich und pocht auf ihre Autonomie, in der ein Rechtsstaat kaum Fuß fassen kann, schon gar nicht, wenn ihn kosovo-albanische Beamte stützen wollen.

So ist auch Kosovska Mitrovica zerrissen und nicht nur durch den Fluss Ibar geteilt. Im Süden der Stadt ist auf den Straßen Albanisch zu hören und in den Zeitungen zu lesen, die vor den Kiosken ausgehängt sind. Gezahlt wird mit Euro. Im Norden, erreichbar über eine andere Brücke, ein paar hundert Meter von der gesperrten Straße entfernt, prangen Flaggen in den drei panslawischen Farben und mit dem gekrönten weißen Doppeladler. Die meisten Autos haben serbische Kennzeichen, manche überhaupt keine. Als Zahlungsmittel werden auch Dinar akzeptiert.

Manches lässt sich dennoch nicht durch Blockaden aufhalten: Wenn der Strom ausfällt, macht er keinen Unterschied zwischen Nord und Süd. Und auf beiden Seiten trägt die Erde auch ein Dutzend Jahre nach Stilllegung der Mine Spuren des Bleiabbaus in sich.

Die Teilung des Landes aber ist bis an den Nordrand des Kosovo spürbar. An der Straße, die zum Grenzübergang Jarinje und dann in den Süden Serbiens führt, haben Serben vereinzelt Posten aufgestellt. An einem von ihnen spielen drei Männer an einem Tischchen Karten. Sie blicken kaum auf, wenn ein Auto vorbeirollt. An anderer Stelle liegen noch die Baumstämme, die vor Monaten auf die Straße geworfen wurden, um kosovarischen Zöllnern die Durchfahrt zu verwehren.

Daher überprüfen an der Grenze zu Serbien internationale Truppen die Pässe. Ein türkischer Kfor-Soldat nimmt die Papiere entgegen, fragt nach dem Zweck der Reise. Ohne einen Stempel reinzudrücken, gibt er die Dokumente zurück. Ein Stück weiter dann die serbische Kontrolle. Der Zöllner lässt sich Zeit, bis er das stehengebliebene Auto zu sich winkt. Dann heißt es: Motor abstellen, Pässe hergeben, Aussteigen, Kofferraum öffnen. Und warten. Der Mann ist mit den Papieren weggegangen. Er plaudert mit einem Kollegen. Winkt ein paar Fahrzeuge mit serbischen Kennzeichen durch. Geht in das niedrige Gebäude. Zündet sich eine Zigarette an. Wenn er will, kann er uns stundenlang ausharren lassen. Er tut es dann aber doch nicht.

Ab Montag sollen Grenzbeamte aus Serbien und dem Kosovo in Jarinje ihren Dienst gemeinsam versehen. Darauf haben sich Belgrad und Pristina in mühsamen Gesprächen in Brüssel geeinigt. Die serbischen Gemeinden im Nordkosovo haben schon ihren Protest angemeldet.