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Grenzöffnung "kein Sprung ins kalte Wasser"

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Plassnik: Auch österreichische Verfassung kein Muster an Leicht-Lesbarkeit. | "Wiener Zeitung":Können Sie sich die Ängste vieler Österreicher nach dem Wegfall der Grenzkontrollen zu den Nachbarn erklären? | Ursula Plassnik: Ich verstehe das gut. Solche Sorgen - ob man sie im Einzelfall teilt oder nicht - muss man in der Politik ernstnehmen. Ich kann den Menschen sagen: Es ist eine neue Situation, aber kein Sprung ins kalte Wasser. Die EU und vor allem unsere Nachbarländer haben diesen Schritt sorgfältig vorbereitet. Es ist sehr viel Geld und Fachwissen reingeflossen. Die slowakisch-ukrainische Grenze etwa ist wahrscheinlich die elektronisch und technisch am besten ausgerüstete Grenze der Welt. Dafür wurden 100 Millionen Euro investiert. Diese Informationen sind in der Öffentlichkeit nicht immer durchgedrungen.


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Uninformiert fühlen sich viele Menschen auch über den EU-Reformvertrag - trotz Berichterstattung.

Wenn man informiert sein will, ist das auch leicht möglich. Es gibt viele Informationsangebote. Das Problem ist aber, dass in der jetzigen Debatte vieles in einen Topf geworfen wird. Dem Reformvertrag wird allerlei zugeschrieben, was gar nichts damit zu tun hat. Auch der Europäischen Union wird vieles angelastet, was mit der EU nichts zu tun hat. Etwa ein allgemeines Unbehagen wegen vieler Entwicklungen in der heutigen Welt, im Zeitalter der Globalisierung.

Ist es dann nicht kontraproduktiv, über solche Themen die Bevölkerung abstimmen zu lassen?

Als Juristin sage ich: Es gibt in der österreichischen Verfassung Regelungen zu Volksabstimmungen. Wenn diese Erfordernisse aber nicht erfüllt sind, ist es nicht notwendig, ein Referendum abzuhalten. Ich bin überhaupt dafür, die Füße auf dem Boden zu behalten. Der Vertrag von Lissabon ist eine Anpassung der Geschäftsordnung der EU. Als solche ein hochtechnisches Werk und kein leicht lesbares Produkt. Auch die österreichische Verfassung ist übrigens kein Muster an Leicht-Lesbarkeit.

Wie geht es in Österreich mit dem Vertrag weiter?

Wir werden am heutigen Freitag im Ministerrat den Beschluss fassen, die parlamentarische Genehmigung zu starten. Abhängig vom parlamentarischen Fahrplan hoffe ich, dass wir spätestens bis Jahresmitte das Ratifikationsverfahren abschließen können.

Der slowenische Außenminister Dimitrij Rupel überlegt, die Ortstafelfrage in Kärnten auf europäischer Ebene zu debattieren. Wäre das eine Lösung?

Österreich weiß, dass wir den Schutz der Minderheiten zu gewährleisten haben. Eine Lösung hätte bis Sommer 2006 gefunden werden sollen, so sagt es das Regierungsprogramm. Das ist leider nicht der Fall. Aus meiner Sicht gibt es keine neuen Entwicklungen, die von mir zu kommentieren wären.

Hat es denn Sinn, regionale Konflikte auf europäischer Ebene zu diskutieren?

Wir sollten vermeiden, immer nur von Konflikten zu reden. Der Blick sollte auf das gerichtet werden, was schon erreicht wurde in den letzten Jahren - und das ist sehr viel. Es gibt offene Debatten in diesem neuen Europa. Aber das halte ich für keine Absonderlichkeit. Das ist Teil der Diskussionskultur in einem demokratischen Europa.

Ursula Plassnik (ÖVP) ist seit 2004 österreichische Außenministerin.