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Grenzüberschreitendes Werken

Von Brigitte Sammer

Wirtschaft

Grenzüberschreitende Verschmelzung. | Vorstand und Aufsichtsrat werden zum Verwaltungsrat. | Wien. Fünf europäische Aktiengesellschaften ("SE") wurden seit in Kraft Treten des österreichischen SEG (Societas Europaea Gesetz) in Österreich gegründet. Als Erste wagte die Strabag SE gefolgt von der Galleria Di Base del Brennero-Brenner Basistunnel BBT SE den Schritt in die neue Gesellschaftsform.


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Was bewegt Gesellschaften, die europäische Form zu wählen? Das Wesen der SE ist für große aber auch mittelgroße Unternehmen konzipiert, die EU-weit, oder zumindest in zwei verschiedenen EU-Mitgliedstaaten tätig sind. Das gegenüber der Aktiengesellschaft (AG) erhöhte Grundkapital von mindestens 120.000 Euro (AG: 70.000) streicht die Funktion der SE als grenzüberschreitend agierendes Unternehmen hervor. Ziel ist es unter anderem, die Flexibilität von Unternehmen innerhalb der EU zu fördern, sodass eine Anpassung an die Erfordernisse des Wirtschaftslebens leichter und rascher möglich ist. So kann die SE etwa durch grenzüberschreitende Sitzverlegung (die nationalen AGs derzeit verwehrt ist) jene Rechtsordnung - auch aus handels- oder steuerrechtlicher Sicht - wählen, die für das Unternehmen am geeignetsten erscheint. Ebenso sind Verschmelzungen von EU-Gesellschaften über die Grenze hinweg möglich, sodass nicht nur der Erwerb eines fremden Unternehmens, sondern auch konzerninterne Umstrukturierungen Erleichterungen erfahren.

Neu: Verwaltungsrat

Ins Leben gerufen werden kann eine SE einerseits durch die grenzüberschreitende Verschmelzung, andererseits aber auch durch Gründung einer Holding SE, einer Joint Venture SE oder durch bloße Umwandlung einer AG in eine SE. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass bereits vor Gründung der SE Anknüpfungspunkte zu mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten bestehen; somit entweder die beteiligten Gesellschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind oder Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten existieren.

Uneingeschränkten Zugang zur SE haben nur Aktiengesellschaften. Vor allem natürlichen Personen steht daher die Gründung einer SE nicht offen. Diese ist grundsätzlich der nationalen Aktiengesellschaft angeglichen. Eine Neuerung ist es in Österreich, dass Leitung und Aufsicht der Gesellschaft (in der AG Vorstand und Aufsichtsrat) in einem einzigen Organ, dem Verwaltungsrat, (obgleich mit Trennung in überwachende und geschäftsführende Mitglieder) zusammengefasst werden können - monistisches System. Daneben besteht weiterhin wie bei AGs die Möglichkeit, das dualistische System mit Vorstand und Aufsichtsrat zu wählen. Die monistische Struktur wird sich, in ihrer einfachsten Form mit nur drei (einem geschäftsführenden und zwei überwachenden) Verwaltungsratsmitgliedern, vor allem für bloße Holding-Gesellschaften oder Familienunternehmen eignen.

Einer der Knackpunkte der europäischen Verhandlungen zur Einführung der SE war die in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägte Arbeitnehmerbeteiligung, also die Einbindung der Betriebsräte in den unternehmerischen Entscheidungsfindungsprozess. Letztendlich wurde eine Einigung gefunden, dass mit den Arbeitnehmervertretern die Ausprägung der Beteiligung vereinbart, auf eine Arbeitnehmerbeteiligung ja sogar verzichtet werden kann. Wird keine Einigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretern erzielt, so greift die gesetzliche Auffangregelung. Demnach muss der höchste Anteil der Arbeitnehmervertreter in den beteiligten Gesellschaften auch in der SE übernommen werden.

Nicht gänzlich erprobt

Auch wenn die SE in Österreich noch nicht in allen Facetten erprobt ist, so können ihre Vorteile durchaus positiv genützt werden, sofern ihre Struktur auf die Unternehmenserfordernisse zugeschnitten ist.

Die Autorin ist Rechtsanwältin bei Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien.