Nach Einführung der Visapflicht für Polens östliche Nachbarstaaten ist es an den Grenzübergängen ruhiger geworden. Von einem neuen "Eisernen Vorhang" könne aber nicht die Rede sein, versichern Polens Vertretungen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Volle Konsulate, leere Straßen vor den Grenzübergängen: So brachten polnische Medien die Situation nach dem 1. Oktober auf den Punkt. Polen hatte zu diesem Zeitpunkt die Visapflicht für Einreisende aus der Ukraine, Russland und Weißrussland eingeführt. Mit der Ukraine konnte die polnische Regierung dabei ein Abkommen schließen: kostenlose Visa für UkrainerInnen, keine Visumspflicht für PolInnen. Für Russland und Weißrussland brauchen PolInnen ein kostenpflichtiges Visum, für die Einreise nach Russland zusätzlich eine Einladung.
Die Auswirkungen der neuen Vorschriften machen sich bereits bemerkbar: Stark zurückgegangen ist der Kleinhandel - mit einem geschätzten Wert von 700 Millionen Dollar -, der vor allem im polnisch-ukrainischen Grenzgebiet die Einkommensquelle zahlreicher Familien war. Die Zahl der Grenzübertritte sei nun zwei, drei Mal geringer, berichtet Polens Botschafterin in Österreich, Irena Lipowicz. Wovor aber im Vorfeld der Visaeinführung gewarnt wurde, sei nicht eingetreten: Von einem neuen "Eisernen Vorhang" könne nicht die Rede sein.
Immerhin arbeiten die polnischen Konsulate in der Ukraine, in Russland und Weißrussland auf Hochtouren, betont Lipowicz. Rund 70.000 Visa wurden dort seit 1. September ausgestellt, und als am 13. Oktober 11.000 Menschen Polens östliche Grenze passiert haben, waren das schon um 66 Prozent mehr als am 1. Oktober.
Debatte um EU-Verfassung
Doch nicht nur Grenzfragen beschäftigen Polens Regierung und Öffentlichkeit. So pocht Warschau weiterhin auf die Beibehaltung des Stimmgewichts von Nizza. Vor dem Referendum zum EU-Beitritt war dieses künftige Mitspracherecht eines der Hauptargumente der BefürworterInnen.
Die Präambel zur EU-Verfassung bleibt ebenso Thema: Ein Hinweis auf die christlichen Wurzeln Europas ist Polen weiterhin ein Anliegen. Sollten die Änderungswünsche nicht berücksichtigt werden, könnte das Konsequenzen beim nächsten Referendum haben, meint Lipowicz. Denn es sei "klar", dass die PolInnen auch über die EU-Verfassung abstimmen werden.