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Grenzwertige Streitigkeiten

Von Werner Reisinger

Politik

EU verordnet Grenzkontrollen. Kroatien bangt um Urlaubsgeschäft.


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Wien/Brüssel. Wer über die Osterfeiertage nach Slowenien oder weiter nach Kroatien wollte, musste an den Grenzübergängen stundenlange Wartezeiten in Kauf nehmen. An der slowenisch-kroatischen Grenze staute sich der Verkehr kilometerlang zurück, bis zu drei Stunden dauerte die Einreise. Es wird wieder kontrolliert an den Grenzen - oder eben nicht mehr. Wie man es nimmt.

Der Grund: Seit rund drei Wochen gilt eine neue Verordnung der EU-Kommission. Sowohl an den Außengrenzen des Schengenraums als auch an den EU-Außengrenzen muss verstärkt kontrolliert werden. Die terroristischen Anschläge der vergangenen Wochen und Monate würden es unabdingbar machen, dass persönliche Daten der Reisenden mit Fahndungsdatenbanken und Datenbanken mit gestohlenen Pässen abgeglichen werden, so die Begründung der Kommission.

Allzu lange aber hielten die verstärkten Anti-Terror-Maßnahmen nicht. Schon nach einem Wochenende mit Staus und Verzögerungen setzten Ungarn, Slowenien und Kroatien die Kontrollen wieder aus. Vor allem die Länder der ehemaligen Balkanroute fürchten, dass ihre Feriengäste ausbleiben könnten. Für ein Land wie Kroatien, in dem der Tourismus 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmache, seien die strengen Kontrollen und die damit verbundenen Staus unhaltbar, sagte Kroatiens Regierungschef Andrej Plenkovic vergangene Woche.

Hauptverantwortlich für die Staus über die Osterfeiertage sei aber nicht die EU, sondern der Nachbar Slowenien, heißt es aus Zagreb. Dieser habe sein Grenzregime nicht wie angekündigt von systematisch auf gezielt umgestellt. Die Slowenen wiederum bekamen nach der Ankündigung, die neuen, verschärften Kontrollen gleich wieder aussetzen zu wollen, Probleme mit Brüssel: Die Kommission verlangte aus Ljubljana eine umfassende Begründung, wieso die Grenzkontrollen wieder ausgesetzt worden seien.

Das alles stimme nicht, sagen die Slowenen Richtung Kroatien. Man habe das Grenzregime über die Osterfeiertage sehr wohl gelockert. Sloweniens Außenminister Karl Erjavec gibt aber zu, sich an die EU-Verordnung zu halten. Diese sei zu respektieren, dennoch habe man im Vorfeld die Kommission vor Problemen bei der Umsetzung gewarnt. Doch damit nicht genug.

Slowenische Doppelstrategie

Obwohl Slowenien sich an die EU-Vorgaben hält und sich mit Kroatien, das im Gegensatz zu Slowenien nicht Teil des Schengenraums ist, fordert Letzteres aber die EU auf, sie möge die Kontrollen an der slowenisch-österreichischen Grenze beenden.

Sloweniens Innenminister Vesna Györkös Znidar schrieb vergangene Woche in einem Brief an EU-Vizekommissionschef Frans Timmermans und den EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos, eine Verlängerung der Grenzkontrollen an der österreichisch-slowenischen Grenze sei "unvertretbar". Würde die Kommission, die Anfang Februar fünf Ländern die Kontrollen bis Mitte Mai erlaubt hatte, diese Frist verlängern, würde Slowenien dem "entschieden entgegentreten". Insbesondere vor dem Karawankentunnel befürchten die Slowenen im kommenden Sommer eine kritische Situation. Dies würde Slowenien einen wirtschaftlichen Schaden verursachen und zudem die Zusammenarbeit in der Grenzregion erschweren, hieß es aus Ljubljana. Außerdem brächten die österreichischen Grenzkontrollen einen vergleichsweise geringen Nutzen. So seien im vergangenen Jahr insgesamt lediglich 76 Personen nach Slowenien zurückgeschickt worden, im laufenden Jahr seien es bisher nur elf Personen gewesen. Dies zeige, dass die Kontrollmaßnahmen Sloweniens im Land und an seinen Südgrenzen funktionieren würden.

Horrorstaus für die Kroatien- und Slowenien-Urlauber im Sommer? Im Innenministerium winkt man ab. "Der Sommer 2017 wird sich aller Voraussicht nach nicht großartig vom Sommer 2016 unterscheiden", sagt Karlheinz Grundböck, Sprecher des Innenressorts, zur "Wiener Zeitung". Zudem müsse man zwischen "Kontrollen in rechtlicher Hinsicht" und "Aktivierungen" unterscheiden - gemeint sind schwerpunktmäßige Grenzkontrollen im Bedarfsfall.

"Rechtliche Kontrollen, ja die haben wir", sagt Grundböck, "was wir aber nicht haben, sind lückenlose Kontrollen an den Grenzübergängen." Und überhaupt liege der Schwerpunkt der Kontrollen an der österreichisch-ungarischen Grenze.

Dort konzentriert man sich vor allem auf die Anti-Schlepper-Maßnahmen mittels Schleierfahndung. Wie viele Schlepper und Flüchtlinge in den vergangenen Monaten im Hinterland der Grenze aufgegriffen wurden, darüber kann das zuständige Bundeskriminalamt allerdings keine Auskunft geben. Man verweist auf den bald erscheinenden Schleppereibericht.

Egal, wie die EU-Kommission in puncto Grenzkontrollen entscheiden wird: Innenminister Wolfgang Sobotka kündigt schon jetzt an, so lange weiter kontrollieren zu wollen, bis es einen entsprechenden Schutz an den EU-Außengrenzen gebe. Hierzu erwartet Sobotka auch das Placet der EU-Kommission.

"Mindestens bis Jahresende" und solange es eben den EU-Außengrenzschutz nicht gebe, wollen auch die Bayern an der Grenze zu Österreich weiterkontrollieren. Immerhin seien seit Jänner mit Stichtag 25. April 4754 Personen an der bayrisch-österreichischen Grenze aufgegriffen worden. Bis inklusive März habe man 1600 Personen die Einreise verweigert, so ein Sprecher des bayrischen Innenministeriums am Mittwoch.