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Grexit

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone - "Grexit" genannt - sei möglich, ließ die deutsche Regierung via "Spiegel" durchsickern. Das zeigt, dass die Regierung in Berlin eine Europa-Strategie hat, wahrer wird der Satz dadurch allerdings nicht. Ein Austritt Griechenlands aus dem Euro hat immer noch unbekannte Faktoren, die ökonomisch schwer einzuschätzen sind.

Der Euro ging im Vergleich zum Dollar allerdings deutlich zurück, das ist gut für die deutsche Exportindustrie. Vor allem aber richtet sich der Satz wohl an die griechische Bevölkerung, die am 25. Jänner wählt. Die Griechen wollen unbedingt den Euro behalten, und die Drohung mit "Rauswurf" ist wohl eher eine indirekte Aufforderung, die Linkspartei Syriza nicht allzu stark werden zu lassen.

Das ist ein neues politisches Phänomen, das die Europäische Union in den kommenden Jahren oft sehen wird. Die 28 Länder sind mittlerweile so stark miteinander verwoben, dass etwa der Wahlsieg einer Partei, die EU-Vereinbarungen sistieren oder schlicht ignorieren möchte, das Gesamtkonzept durcheinanderbringt. So wie in Österreich bei Landtagswahlen immer auch die Bundespolitik mitmischt, ist es auch in der Europäischen Union so, dass bei nationalen Wahlen die europäische Komponente immer stärker wird.

Wenn nun der Linkspolitiker Alexis Tsipras im Falle eines Wahlsiegs das Einsparungspaket versenken sollte wie seinerzeit die griechische Flotte die Perser, so wäre dies das Ende der europäischen Solidargemeinschaft. Fiskalpakt, Budgetkontrolle und Bankenunion wären nichts mehr wert, wenn eine neu gewählte nationale Regierung tun könnte, was ihr gerade gefällt.

Dass Deutschland nun den Griechen diesen Schuss vor den Bug setzt, wird das Wahlergebnis beeinflussen, und genau das ist beabsichtigt.

Es wäre allerdings von großem Vorteil, wenn EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ebenfalls politisch aktiv würde. Ansonsten könnte sich der Eindruck festsetzen, dass im Jahr 2015 Berlin die Hauptstadt Europas geworden ist. Das allerdings würde die Unionsbemühungen Europas stärker beeinträchtigen als säumige Griechen.

Nur wenn sich Deutschland stärker zurückhält, wird Europa in den Vordergrund gestellt. Denn so beliebt, wie die jüngsten Umfragen zeigen, sind die Deutschen in Europa noch lange nicht.