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Grexit polarisiert

Von Andreas Rinke

Politik

Faymann und Hollande kritisieren Schäuble.


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In seiner langen politischen Karriere hat sich der deutsche Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schon einiges anhören müssen. Dass ihn Linkspartei-Chef Bernd Riexinger am Sonntag einen "Totengräber Europas" nannte, dürfte der CDU-Politiker wenig stören. Dass ihn der österreichische Kanzler Werner Faymann scharf kritisierte, schon eher. Mit dem Satz "Vorschläge wie ein befristetes Ausschließen aus einer Währung halte ich für entwürdigend", hatte der Sozialdemokrat immerhin eine harte Sprache gewählt. Aber dass bei vielen Euro-Partnern erneut der Eindruck entstand, die Bundesregierung und vor allem der Finanzminister selbst wollten Griechenland aus der Euro-Zone schmeißen, war dann in Berlin doch weniger willkommen.

Tatsächlich war das am Freitag an die Eurogruppe der Finanzminister geschickte Diskussionspapier auf den Sondertreffen der Außenminister und der 19 Euro-Regierungschefs am Wochenende in Brüssel der größte Aufreger. Der Grund ist nach Angaben von EU-Diplomaten offensichtlich: Denn alle haben spätestens seit dem griechischen Referendum vor einer Woche den Eindruck, dass ein vielleicht sogar unabsichtliches Herausgleiten Griechenlands aus der Euro-Zone tatsächlich eine reelle Gefahr ist. Das liegt schon daran, dass der Bankrott des Landes mit jedem Tag der Nicht-Einigung über eine neue milliardenschwere Finanzierung des Landes immer näher rückt.

Mehr als die Hälfte der 19 Euro-Regierungen beklagt zudem seit Tagen einen dramatischen Vertrauensverlust in den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Denn vor nicht einmal zehn Tagen hatte die jetzige Links-Regierung im Referendumswahlkampf noch gesagt, dass sie die Sparpolitik ablehnt - und damit die Volksabstimmung sogar gewonnen. Vor allem Finnen und Niederländer fragten nun in Brüssel, wieso man eigentlich dieser Regierung glauben soll, dass sie plötzlich noch härtere Strukturreformen und Einsparungen akzeptieren will.

Eines hat der Vorschlag aber auf jeden Fall erreicht - und das sollte er im Kalkül der deutschen Regierung wohl auch. Denn ein Grexit ist nun offiziell als eine der Möglichkeiten für Griechenland auf der europäischen Agenda. Die Idee taucht sogar in dem letzten Dokument auf, das die Euro-Finanzminister den Chef am Sonntagnachmittag übergaben - allerdings in Klammern, was bedeutet, dass es darüber noch keinen Konsens gab. Dort hieß es: Falls keine Einigung über ein Hilfspaket zustande komme, "sollten mit Griechenland rasche Verhandlungen über ein 'time-out' aus der Euro-Zone begonnen werden, zusammen mit einer möglichen Schulden-Restrukturierung". Das bildet den dramatischen Hintergrund für das kaum weniger dramatische Ringen um den Einstieg in ein drittes Hilfspaket - und sollte wohl auch den Griechen den Ernst der Lage klar machen.

Schaut man sich die griechische Kompromissbereitschaft zumindest bis Samstag an, dann scheint die Warnung sogar gewirkt zu haben. Denn die große Mehrzahl der Griechen will unbedingt den Euro behalten. Für die Mahnung ist es egal, ob die Formulierung am Ende wieder gestrichen wird, weil nicht nur Faymann, sondern auch die französische Regierung vehement dagegen ist, dass man überhaupt das Ausscheiden eines Euro-Landes ins Betracht zieht.

Streit mit Frankreich

Aber der Preis für die neue Offenheit ist, dass in Brüssel auch ein deutsch-französischer Zwist offenbar wurde. Deshalb war am Sonntag schon heftiges Gegensteuern zu beobachten. Merkel und Hollande trafen sich vor dem Euro-Zonen-Gipfel, um ihre Positionen abzustecken und jeden Verdacht eines tiefen Konflikts auszuräumen. Und nach heftiger parteiinterner Kritik betonte SPD-Chef Sigmar Gabriel in Brüssel, dass man in der Spitze der großen Koalition zwar die generelle Griechenland-Linie abgesteckt, aber nicht speziell dieses BMF-Papier abgesegnet habe. Zudem wurde extra ein Brief an die beunruhigten SPD-Bundestagsabgeordneten versandt, dass in Brüssel nicht über einen Grexit verhandelt wird.

Sowohl Gabriel als auch Regierungskreisen betonten, dass oberstes Ziel der Bundesregierung und auch Schäubles "natürlich" bleibe, Griechenland in der Euro-Zone zu halten. Der als Drohung wahrgenommene Vorschlag einer fünfjährigen Pause sei in Wahrheit ein zusätzliches Angebot: Denn ohne Zustimmung Athens sei ein Ausscheiden ohnehin nicht denkbar. Die griechische Regierung habe in Zusammenhang mit der angebotenen Schulden-Neustrukturierung also eine zusätzliche Option. Jede Interpretation, Berlin wolle Griechenland aus der Euro-Zone drängen, sei jedenfalls falsch, wurde beteuert.