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"Müssen Industrie und Arbeit ins Land bringen." | Vorschlag Frankreichs für Beteiligung privater Gläubiger "interessant".
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"Wiener Zeitung":Wie beurteilen Sie das Krisenmanagement Europas in Sachen Griechenland-Krise?
Willibald Cernko: Man liegt nicht falsch, wenn man sagt, dass hier noch erhebliche Optimierung notwendig ist. Bisher hat sich gezeigt, dass sehr oft nationalstaatliche Interessen deutlich vor gesamteuropäischen Interessen stehen. Gerade bei Griechenland hätte man viel früher viel konsequenter agieren müssen. Das wäre wesentlich effizienter und kostengünstiger gewesen.
Wird es mit einem weiteren Rettungspaket, wie jetzt von der EU diskutiert, ein für alle Mal getan sein? Oder wird Griechenland zu einem Fass ohne Boden?
Ich weiß schon, dass es sehr verlockend ist, das Thema mit dieser Metapher zu abstrahieren. Und ich meide auch den Begriff "alternativlos". Ich glaube, Griechenland zu helfen ist eine Pflicht, wo Europa Solidarität zeigen muss. Die Hilfen dürfen sich nicht nur in einer Restrukturierung der Schulden erschöpfen - zum Beispiel durch längere Fristen, um dem Land Luft und Zeit zu verschaffen. Auch eine Restrukturierung der Wirtschaft muss damit einhergehen, wobei ein Programm aufgesetzt werden sollte, das dem Land und seinen Menschen eine Chance einräumt.
Es ist unumstritten, dass die Griechen sparen müssen. Aber man muss ihnen auch Perspektiven geben. Wenn Beispiele wie der Marshall-Plan (US-Wirtschaftshilfe nach dem Zweiten Weltkrieg, Anm.) genannt werden, hat das einen tiefen Sinn. Wir müssen Industrie und Arbeit und damit Zukunft ins Land bringen. Sich nur auf die Rückzahlung der Schulden zu konzentrieren wäre falsch.
Bei einem Aufbau- und Restrukturierungsprogramm à la Marshall-Plan müsste aber erneut viel Geld fließen - mit unsicherem Ausgang.
Natürlich ist Sparen jetzt wichtig, aber es muss auch investiert werden. Und das kann nur von außen kommen. Wenn man Griechenland als Partner sieht, wird man dem Land auch eine Investitionschance einräumen müssen.
Was halten Sie vom französischen Vorschlag einer "sanften" Umschuldung, mit dem den privaten Gläubigern eine Beteiligung an der Rettung Griechenlands schmackhaft gemacht werden soll?
Das ist ein durchaus interessanter, diskussionswürdiger Vorschlag. In den nächsten Tagen wird es sicherlich zu weiteren Gesprächen kommen, inwieweit Banken, Versicherer, Pensionskassen und Fonds sich da engagieren können. Der Vorschlag der Franzosen könnte beispielgebend sein.
Aber wie soll es gelingen, die privaten Gläubiger aus der Finanzbranche auf eine gemeinsame Linie zu bringen? Der Internationale Bankenverband hat kürzlich Bedenken geäußert.
Soweit ich im Bilde bin, gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. Dass vor allem Großgläubiger ausscheren, glaube ich nicht. Die sind alle an einer konstruktiven Lösung interessiert.
Das Problem ist vielmehr, wie die Ratingagenturen die Hilfsmaßnahmen beurteilen werden. Sollten sie Griechenland deswegen dann als zahlungsunfähig einstufen, könnten sämtliche Staatsanleihen - egal, wie lange sie laufen - nicht mehr bei der Europäischen Zentralbank, der EZB, eingebracht werden, um damit Liquidität zu schöpfen. Die EZB wäre nicht mehr in der Lage, griechische Anleihen für liquiditätsgenerierende Maßnahmen zu akzeptieren. Insofern ist es ein entscheidendes Thema, ob die Ratingagenturen da mitspielen. Zuletzt war zu hören, dass das von ihnen doch unterstützt werden könnte.
Welche Summe schuldet denn Griechenland der italienischen Unicredit-Gruppe, zu der die Bank Austria gehört?
Es sind aktuell 800 Millionen Euro - in Relation zu einer Bilanzsumme von 1000 Milliarden Euro.
Wäre die Bank Austria im Verbund mit ihrer Mutter bereit, freiwillig einen substanziellen Beitrag zur Bewältigung der griechischen Schuldenkrise zu leisten?
Wir sind hier in einer sehr frühen Phase. Dass wir uns positiv der Diskussion stellen, kann man sagen. Aber wir sind noch nicht so weit, dass wir von einem Ergebnis sprechen können.
Ist die österreichische Bundesregierung bereits in Gesprächen mit der heimischen Finanzbranche?
Es hat ein Sondieren gegeben, welche Bereitschaften es gibt, aber vorerst noch keine konkreten Verhandlungen.
Offenbar vor allem wegen der gewaltigen Kosten der europäischen Schuldenkrise geht man in Brüssel das Thema Finanztransaktionssteuer nun offensiv an. Im Herbst will die EU-Kommission einen Entwurf vorlegen. Hätten Sie mit dieser Steuer nach den neuen Belastungen wie Bankensteuer und Basel-III-Kapitalregime ein Problem?
Wenn eine Finanztransaktionssteuer auf globaler Ebene Platz greift, wäre das sicher etwas, womit alle Marktteilnehmer leben könnten. Käme diese Steuer aber nur in Europa, würden sich die Kapitalströme einen Weg nach Asien und Amerika bahnen, wo sie günstigere Voraussetzungen haben. Damit wären viele europäische Finanzplätze mit einem Schlag entwertet. Ich habe deshalb meine Zweifel, dass ein Alleingang Europas sinnvoll ist. Außerdem wird es sehr schwierig sein, vor allem wegen Großbritannien und der Bedeutung Londons überhaupt eine gemeinsame Position in Europa zu finden. Der Glaube, dass eine Finanztransaktionssteuer kommt, hat mich noch nicht erfasst.
Stichwort: Banken-Stresstest - seit der Finanzmarktkrise ein viel strapazierter Begriff. Auf nationaler Ebene prüfen die Bankenaufseher die Krisenresistenz der Institute bereits regelmäßig. Einmal im Jahr gibt es nun auch einen überregionalen, EU-weiten Stresstest. Halten Sie das für unbedingt notwendig?
Nein, man soll hier nicht Extra-Schleifen ziehen. Der Markt wird deshalb nicht mehr beruhigt. Im Gegenteil: Momentan laufen wir Gefahr, dass wir ständig spekulative Elemente hinzustellen und damit erst recht kein Vertrauen in den Markt bekommen. Es sind dauernd Mutmaßungen dahinter: Ist der Test streng genug? Wir kennen das von der Runde im Vorjahr, bei der keine irische Bank durchgefallen ist. Und hinterher hat’s geheißen, der Test war nicht streng genug. Und so kann man das fortsetzen und Banken testweise auch zu Tode stressen. Mehr Stabilität erreicht man damit nicht, weil der gesamteuropäische Stresstest seine eigenen Probleme mit sich bringt.
Für uns kann ich nur sagen: Den heurigen Test - die Ergebnisse werden Mitte/Ende Juli präsentiert - werden wir ordentlich absolvieren, und ich habe da null Stress mit dem Stresstest.
Noch ein Wort zur notverstaatlichten Hypo Alpe Adria: Was hat die Unicredit-Gruppe letztlich davon abgehalten, in das Bieterverfahren für deren Österreich- und Italien-Sparte einzusteigen?
Es waren nicht jene Perspektiven, die wir haben wollen. Wir wollen mit unserer Kapital-Allokation sehr sorgfältig umgehen und haben uns entschieden, unsere Prioritäten im Geschäft in Mittelosteuropa zu sehen, wo die Wachstums- und Ertragschancen besser sind. Daher haben wir von unserem ursprünglichen Interesse Abstand genommen.
Willibald Cernko (54) ist seit Oktober 2009 Vorstandschef der Bank Austria. Groß geworden in der CA, ist er seit mittlerweile 26 Jahren als Banker tätig.