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Griechen, Iren . . . - gemeinsam regieren?

Von Alexander Van der Bellen

Gastkommentare

Ein Jammer, dass Griechenland als erstes Land von der Krise voll erwischt wurde. In Wirklichkeit ist Griechenland ein Sonderfall.


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Vergangene griechische Regierungen hatten Defizite, Schulden und die entsprechenden Statistiken getürkt; dann flog die Sache auf, die Finanzmärkte verweigerten eine weitere Finanzierung de facto (außer zu exorbitanten Risikoprämien), und die EU stellte gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds Rettungskredite bereit, mit beispiellos drakonischen Austerity-Auflagen.

Seither gilt es als politisch korrekt, sich von weiteren, möglichst automatisch wirkenden Verschärfungen des sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakts eine Verhinderung ähnlicher Krisen in der Zukunft zu erwarten. Ja, die Griechenland-Misere hätte, wenn weniger gelogen und weggeschaut worden wäre, verhindert werden können.

Aber das ists dann auch. Mit den Ursachen und Folgen des Lehman-Brothers-Konkurses, den bankenfinanzierten Immobilienblasen in Irland und Spanien, dem Subprime-Hypotheken-Desaster in den USA (und seinen Folgen in europäischen Banken), mit den explodierenden Staatsschulden in der Eurozone, die ihrerseits durch die Finanzkrise im privaten Sektor mit der resultierenden schweren Rezession verursacht wurden - mit all dem hat der Fall Griechenland so gut wie nichts zu tun.

Eines hat er allerdings gemeinsam mit Irland, möglicherweise auch mit Portugal (für Spanien und Italien bin ich optimistischer): Die EU braucht dringend ein geordnetes Entschuldungsverfahren für insolvente Staaten. Ein Verfahren, das Gläubiger zur Kasse bittet, ohne eine Kettenreaktion von Bankenkonkursen auszulösen; ein Verfahren, das Moral-Hazard-Verhalten bei Schuldnern ("Im Ernstfall werden mich die EU-Partner schon heraushauen") ebenso verhindert wie bei Gläubigern (bei Sovereign Default werden andere Staaten mich auszahlen). Bis Mitte 2013, wie das die EU-Räte derzeit planen, hat das nicht Zeit.

Es lohnt sich zu erinnern, dass noch vor kurzer Zeit der "keltische Tiger" als wirtschaftspolitisches Wunderkind galt. Tatsächlich sind die Pro-Kopf-Einkommen in Irland vom Keller in die oberen Etagen der EU gestiegen. Es war aber auch seit der Einführung des Euro kein Geheimnis, dass angesichts des Booms die Zinsen in Irland zu niedrig waren, die Europäische Zentralbank aber keine regionale Zinspolitik machen konnte. Die irische Regierung hätte von sich aus durch fiskalische Maßnahmen gegensteuern können, tat es aber nicht.

Wäre eine "europäische Wirtschaftsregierung" klüger gewesen? Und wie hätten die Iren reagiert, hätte ihnen "Brüssel" kaltes Wasser in den überkochenden Topf geschüttet? Wir reden hier von unpopulären Maßnahmen, wären sie auch noch so richtig gewesen. Ist Europa, bei aller theoretischen Einsicht, politisch reif für eine Wirtschaftsregierung?

Alexander Van der Bellen ist Nationalratsabgeordneter der Grünen.