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Griechenland am Abgrund

Von WZ Online

Politik

Kreise: Papadimos bastelt an Expertenkabinett


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(APA/Reuters/ja) An die Irrfahrten des Odysseus erinnert der Kurs , mit dem die Athener Regierung den von der EU geforderten Sparplan verfolgt. Am Donnerstag hatten die Spitzen der drei Regierungsparteien den von der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) geforderten Einschnitten zugestimmt. Einen Tag später ist wieder alles anders: Zunächst traten die vier Minister der rechtspopulistischen Partei LAOS zurück. Ihnen folgten am späten Nachmittag Regierungsmitglieder der sozialdemokratischen PASOK.

Zunächst fühlte sich der Vorsitzende der EU-skeptischen LAOS, Giorgos Karatzaferis, nicht mehr an die Vereinbarungen vom Vortag gebunden. Wohl unter dem Eindruck landesweiter Proteste gegen das Sparpaket  attackierte er die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die "mit dicker Brieftasche Südeuropäern ihren Willen aufzwingen" wolle.

Ihnen folgten der stellvertretende Arbeitsminister Yannis Koutsoukos und die stellvertretende Außenministerin Marilisa Xenogiannakopoulou von der  PASOK. Die Sozialistin erklärte in ihrem Rücktrittsschreiben, sie könne das Sparprogramm nicht unterstützen.

Laut der PASOK-nahen "Ta Nea" findet Papadimos, dass manchen das Gewicht des Rettungspakets zu schwer ist. Die konservative Eleftheros Typos zitiert den Regierungschef mit dem Hinweis, dass in der Regierung kein Platz für andere Meinungen ist. Die kommunistische "Rizospastis" ruft zum Streik auf.
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Loukas Papadimos, der Chef der griechischen Übergangsregierung, versuchte Stärke zu demonstrieren und verbat sich jeden Widerspruch innerhalb der Regierung. Die verbliebenen Kabinettsmitglieder erinnerte er an ihre Verantwortung. Gleichzeitig warnte er vor einer Staatspleite, die ein ökonomisches Chaos und soziale Unruhen zur Folge hätte. Im Anschluss an die Rede des Premiers stimmte der Ministerrat  erwartungsgemäß dem Sparpaket zu. Am Sonntagabend soll nun das griechische Parlament darüber abstimmen.

Griechische Medien halten es für möglich, dass Papadimos nächste Woche ein reines Expertenkabinett beruft. Damit könnte er den ständigen Auseinandersetzung in seiner unmittelbaren Umgebung befreien. Allerdings würde dieser Schritt auch seine Unterstützer in den beiden großen Parteien schwächen.

Kein Verständnis bei der EU

Kein Verständnis fanden die griechischen Politiker bei ihren Kollegen im restlichen Europa. Der Ministerpräsident des Großherzogtums und Eurogruppenchef, Jean-Claude Juncker, machte klar, dass Griechenland vorerst noch keine Rettungshilfen erwarten kann. Dazu müsse das griechische Parlament das Sparprogramm beschließen, und die Parteichefs müssten ihre Zusage schriftlich vorlege. Darüber hinaus fehlten noch konkrete Maßnahmen zur Einsparung von 325 Millionen Euro 2012. "Keine Auszahlung ohne Umsetzung", sagte Juncker.

De Abstimmung im Parlament dürfte laut einem Bericht des griechischen Fernsehens auf Montag verschoben werden. Bislang haben 20 Abgeordnete der PASOK ihre Ablehnung des Sparprogramms angekündigt, Beobachter rechnen mit mindestens 30 Abweichlern in der Partei. Dazu kämen die 16 LAOS-Mandatare. Mit den restlichen PASOK-Stimmen und den Abgeordneten der Nea Dimokratia sollte das Paket allerdings angenommen werden.

Erfüllt Griechenland die Forderungen, kommen die Euro-Finanzminister am Mittwoch zusammen, um den Weg für das Hilfspaket freizumachen. Für die Auszahlung ist auch ein Beschluss des Deutschen Bundestages erforderlich, der für den 27. Februar angesetzt ist. Allerdings dürfte Karatzaferis die Erfüllung einer Forderung bereits zunichte gemacht haben: "Ich habe den anderen Parteiführern erklärt, dass ich diesem Kreditabkommen nicht zustimmen kann." Zudem forderte er, den Leiter der IWF-Mission in Griechenland, Poul Thomson, zur "persona non grata" zu erklären. Der Euro geriet durch die Äußerungen von Karatzaferis unter Druck und fiel unter die Marke von 1,32 Dollar. Auch der Dax gab nach.

Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel erörterte am Freitagmorgen mit den Fraktionschefs den Stand in der Krise. Im Anschluss berieten sie und Finanzminister Wolfgang Schäuble mit der Unionsfraktion. Nach Angaben aus Fraktionskreisen warnte Merkel, eine Pleite Griechenlands hätte unabsehbare Folgen. Dann könnte das Haftungsrisiko nicht mehr beherrschbar sein. "Wir haben das hundert mal hin und her überlegt", wurde die Kanzlerin zitiert.

Proteste und Generalstreik

In mehreren griechischen Städten fanden Kundgebungen gegen die radikalen Sparmaßnahmen statt. "Nein zu Entlassungen! Nein zu Gehaltskürzungen! Nein zu Rentenkürzungen!", skandierten mehr als 10.000 Demonstranten auf dem zentralen Syntagma-Platz in Athen.

In der griechischen Hauptstadt setzte die Polizei Tränengas gegen Demonstranten ein, die mit Brandsätzen, Flaschen und Steinen warfen. Gleichzeitig drohte die Polizeigewerkschaft in einem Brief an die Troika aus EU, EZB und IWF, deren Finanzkontrolleure per Haftbefehl suchen zu lassen - unter anderem wegen Gefährdung der Demokratie.

Die Gewerkschaften riefen unter der Losung "Leistet Widerstand!" einen zweitägigen Generalstreik aus. Die Streikenden legten zum zweiten Mal in dieser Woche Metro und Busse lahm, Schiffe blieben im Hafen. Krankenhausärzte und Bankangestellte legten die Arbeit nieder.