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Griechenland: Angela Merkel hatte recht

Von Erhard Fürst

Gastkommentare

In den vergangenen Wochen hagelte es Kritik an der "wahltaktisch motivierten Verzögerungspolitik" Angela Merkels beim Hilfspaket für Griechenland. Je schneller, desto geringer der Schaden, war die Parole; nicht nur international, sondern auch in österreichischen Qualitätszeitungen.


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Dabei folgte die deutsche Kanzlerin einer bewährten Praxis: Befindet sich ein Land in wirtschaftlichen Problemen, die das Eingreifen des Internationalen Währungsfonds (IWF) rechtfertigen oder erfordern, muss es zuerst mit dem Fonds als Sanierungsprofi ein wirtschaftliches Anpassungsprogramm aushandeln. Dabei geht es um Sanierungsmaßnahmen in den öffentlichen Haushalten und Sozialversicherungen, um Privatisierungen, um die Liberalisierung geschützter Märkte, um eine Wachstum fördernde Exportoffensive durch Arbeitskostensenkungen, um Innovationsprogramme etc.

Der IWF wirkt als Katalysator. Erst wenn das Anpassungsprogramm steht, fließt wieder Geld von internationalen Kreditgebern.

Die Beiziehung des IWF im Fall Griechenlands weist eine Besonderheit auf: Das Land hat keine eigene Währung und damit keine Möglichkeit, die Sanierung durch eine Abwertung zu unterstützen. Gleichzeitig beeinflusst aber die Art des Krisenhandlings die Außenstabilität des Euro. Daher war auch die EU-Kommission in die Verhandlungen eingebunden, zumal die Euroländer den größten Teil der Hilfe schultern müssen.

Als Ergebnis der langen Verhandlungen liegen heute die Staatsverschuldung und die Finanzierungsnotwendigkeiten vollständig offen, hat Griechenland Maßnahmen zugestimmt, die vor wenigen Wochen noch undenkbar waren, und kann die Finanzierung zu niedrigen Zinsen erfolgen. Die Umsetzung des Maßnahmenpakets wird peinlich genau überprüft, und dementsprechend erfolgt erst die Freigabe der einzelnen Tranchen.

Dank des beharrlichen Widerstands der deutschen Kanzlerin gegen einen übereilten Hüftschuss ist ein Paket herausgekommen, das eine faire Chance für eine nachhaltige Stabilisierung der griechischen Wirtschaft und die Wiederherstellung der Schuldendienstfähigkeit bietet, wenngleich auch keine Sicherheit angesichts politischer und sozialer Spannungen. Das Hilfspaket beinhaltet keine Geschenke, sondern Kredite, die Griechenland wieder kapitalmarktfähig machen sollen.

Das strikte, Vertrauen einflößende Sanierungspaket wird auch dazu beitragen, Ansteckungsprozesse in Portugal und Spanien hintan zu halten sowie unsoliden Euro-Ländern die Konsequenzen einer fortgesetzt verantwortungslosen Politik vor Augen zu führen. Gleichzeitig ist die Notwendigkeit engerer Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitiken der Euroländer und strengerer Sanktionen im Fall einer Abweichung offensichtlich geworden.

Erhard Fürst war viele Jahre Leiter der Abteilung Industriepolitik und Wirtschaft in der Industriellenvereinigung.