Dem griechischen Patienten wird es wohl für längere Zeit schlecht gehen. Welches Heilmittel hilft, ist noch nicht auszumachen.
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Kifisia, eine Oberschicht-Vorstadt von Athen, bietet eine Momentaufnahme eines Landes, das in den Bankrott schlittert. Es ist ein hässliches Bild, die Hoffnung auf Wohlstand und Stabilität schwindet, und Angst beginnt sich auszubreiten. Die modernen Geschäfte im Stadtzentrum wirkten leer während meines Besuchs diese Woche. Viele schicke Restaurants sind geschlossen oder sperren nur noch am Wochenende auf. Die Banken wurden, wie im übrigen Griechenland, im vergangenen Monat durch eine Sturzflut von Abhebungen leergefegt.
Ich bin hierhergekommen, um Yannos Papantoniou zu treffen, einen alten Studienkollegen, der von 1994 bis 2001 griechischer Wirtschafts- und Finanzminister war. Damals schien in Griechenland alles auf dem rechten Weg zu sein. Man bemühte sich, die Anforderungen für die Aufnahme in die Eurozone zu erfüllen. Ab 2002 dann der Euro, 2004 Olympia - und dann schließlich das Desaster, als Griechenland seine Schulden begleichen sollte.
Griechenland wird als Staat gesehen, der sich seinen Weg in die Eurozone mit Ellenbogen erkämpfte und die neue Währung als deutschlandgestützte Kreditkarte behandelte. Nachdem die Griechen so weit über ihren Verhältnissen gelebt haben, bekommen sie nun, was sie verdienen, so die Argumentation. Sogar diejenigen, die Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel dafür kritisieren, dass sie für die Spartherapie eintritt, haben wenig Sympathie für die Griechen. Ich habe einige Beispiele zusammengetragen, wie sich die Umwälzung in Kifisia und wohl auch in hundert anderen ähnlichen Orten auswirkt. Einbruchsdiebstähle sollen stark zunehmen, also greifen viele Bewohner zu neuen Sicherheitsmaßnahmen. Einige haben sich Waffen gekauft, um ihr Eigentum zu schützen, was in dieser weltoffenen Gegend ganz unüblich ist.
Lokale Unternehmen schrumpfen
im zweistelligen Wirtschaftsabschwung, der Tourismus leidet.
Es ist ein klassischer Keynes’scher Abschwung, sagt Papantoniou: "Scheitern erzeugt noch mehr Scheitern." Da die Griechen weniger Geld haben, zahlen sie ihre Rechnungen verspätet oder gar nicht. Und da jeder wütend auf die Regierung ist, verschlimmert sich das krasse Problem der Steuerhinterziehung noch mehr. Sogar die Schattenwirtschaft ist in Schwierigkeiten. Bei so wenig Arbeit verlassen die illegalen Einwanderer das Land.
Wenn ich höre, wie die Menschen diesen Teufelskreis beschreiben, erinnert mich das an Deutschland am Ende der Weimarer Republik,
am Vorabend der Machtergreifung durch die Nazis. Die Parteien in Europa, die am meisten vom Umbruch profitieren, sind jene am rechten und linken Rand. Das ist keine Prophezeiung, nur die Beobachtung eines beunruhigten Reisenden, der Griechenland mag und es gern wieder gesund sähe, aber noch kein Heilmittel dafür ausmacht. Diesem Patienten wird es für längere Zeit noch schlechter gehen, und es lässt sich schwer sagen, ob das akute Stadium der Krise, das der Erholung vorangeht, wirtschaftlich sein wird oder politisch oder beides.
Übersetzung: Redaktion