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Griechenland droht Bankensturm

Von Karl Leban

Wirtschaft

Staatspräsident Papoulias befürchtet ein Umschlagen in Panik.


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Athen/Wien. Kommt die Drachme wieder, würde sie massiv abwerten. Das hätte in Griechenland rapide Wertverluste der Bankeinlagen zur Folge. Immer mehr Bürger haben daher Angst vor einem Austritt aus der Eurozone. Seit einigen Tagen räumen sie deshalb verstärkt ihre Bankkonten, um ihre Euro-Ersparnisse ins Trockene zu bringen. In Summe sollen sie allein am Montag und Dienstag etwa 1,6 Milliarden Euro aus den Banken abgezogen haben.

Griechenlands Präsident Karolos Papoulias befürchtet nun, dass es zu einem Bank Run, einem Ansturm auf die Bankschalter, kommen könnte, und schlägt Alarm. Er beruft sich dabei auf Aussagen von Notenbank-Chef Giorgos Provopoulos, wonach es große Angst gebe, die sich zu einer Panik auswachsen könnte.

Die Griechen ziehen zwar schon seit Jahren kontinuierlich Geld aus den Banken ab. Doch die jüngsten Abflüsse - noch dazu binnen zwei Tagen - gelten als ungewöhnlich hoch. Einer der Gründe, warum die Bankkonten vermehrt geplündert werden, sind auch die Folgen der schrumpfenden Wirtschaft im Land, die viele Griechen zum Aufzehren ihrer Ersparnisse zwingt.

Etliche historische Beispiele

Beispiele für einen Bank Run gibt es im historischen Rückblick zuhauf - etwa aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise, wo in den frühen 1930er-Jahren neben vielen anderen Banken, vor allem deutschen, auch die österreichische Creditanstalt von einem Ansturm auf die Schalter betroffen war.

Ebenso führte die schwere Krise in Argentinien (1998 bis 2002) in dem Land zu einem Massenandrang der Sparer. Jüngste Beispiele für einen Bank Run - sie ereigneten sich während der Immobilien- und Bankenkrise - sind die britische Northern Rock (Sommer 2007) und die Schweizer Großbank UBS (Herbst 2008).

Dass es zu einem Bankensturm kommt, setzt in der Bevölkerung "dominierende Angst vor Finanzverlusten, Emotionen, große Unsicherheit, was die Zukunft betrifft, und auch verlorenes Vertrauen" voraus, erklärt der Wiener Wirtschaftspsychologe Erich Kirchler. Vor allem die Berichterstattung in den Medien spiele eine große Rolle. Denn eine bestimmte Meldung könne latente Angstvorstellungen generell verstärken und zur realen Gewissheit machen - zur "Gewissheit, dass das Feuer hochlodert", so Kirchler zur "Wiener Zeitung". Erst dann könne ähnlich wie bei einem Börsen-Crash das "Massenphänomen" eines Bank Run entstehen.

Seit Ausbruch der Schuldenkrise vor fast zweieinhalb Jahren sind den hellenischen Kreditinstituten laut Notenbank bereits Einlagen von 55 Milliarden Euro verlorengegangen. Anzeichen einer Panik wie im April 2010 vor dem ersten Rettungspaket für Griechenland gebe es bis dato aber nicht, heißt es aus dem griechischen Bankensektor. Schlangen vor den Bankschaltern in Athen sind derzeit noch nicht zu sehen.

Griechenlands krisengeplagten Instituten selbst wird unterdessen mit 18 Milliarden Euro aus dem neuen internationalen Rettungspaket unter die Arme gegriffen. Diese Gelder seien bereits auf ein Sonderkonto der griechischen Notenbank überwiesen worden, wie Athen mitteilte. Sie stammen aus dem Hilfsprogramm von 130 Milliarden Euro, die der Euro-Notfallfonds EFSF in Tranchen auszahlen soll.

Angesichts der Schuldenkrise bleibt die Gemeinschaftswährung unter Druck. Der Richtkurs des Dollar zum Euro wurde gestern von der EZB mit 1,2682 (zuletzt: 1,2738) Dollar festgestellt und lag damit um 1,99 Prozent unter dem Ultimowert 2011.

Bei einem sogenannten Bank Run, einem Ansturm auf eine Bank, versuchen viele Anleger eines Geldinstituts zeitnah ihre Einlagen abzuheben. Da eine Bank im Regelfall nur einen Bruchteil ihres Vermögens als Bargeld bereithält und der Hauptteil in längerfristigen Aktiva angelegt ist, kann dies zur Pleite einer Bank führen.

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