Standard & Poors stuft griechische Anleihen auf Super-Ramsch ab. | Reformen stocken, Wirtschaft auf Talfahrt. | Umschuldung scheint nicht mehr abwendbar. | Brüssel. Gut ein Jahr nach dem bis dahin beispiellosen Rettungspaket für Griechenland über 110 Milliarden Euro steht das schwächste Euroland erneut am Rande des Abgrunds. Die ursprünglich geplante Rückkehr an die Finanzmärkte schon nächstes Jahr ist laut Eigenaussage hinfällig. | 'Ein Zahn, der weh tut, muss raus - Schmerzmittel sind keine Dauerlösung' | Wahlkampf Lissabon: Wer spart mehr? | Irland hofft auf geringere Zinsen
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die größten Gläubiger feilen einigermaßen chaotisch an weiteren Nothilfemaßnahmen für den griechischen Patienten. Dass die unbedingt gebraucht werden, bestätigten Spitzenpolitiker mehrerer Mitgliedstaaten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am Mittwoch in Brüssel erwartet. Stichtag ist dann spätestens der 16. Mai, wenn die Finanzminister der Eurozone wieder regulär zusammenkommen. Neben der Verabschiedung des Hilfspakets für Portugal über 78 Milliarden Euro und einem möglichen Zinsnachlass für den EU-Anteil am 85 Milliarden Euro schweren Rettungspaket für Irland rückt vor allem Griechenland ins Zentrum der Beratungen. Wie ein Damoklesschwert hängt der erste und bisher schlimmste Notfall in der Eurozone über dem Schicksal der Gemeinschaftswährung.
Denn die Reformen und Privatisierungen laufen offensichtlich nur sehr schleppend an. Die Rezession soll heuer mehr als vier Prozent betragen, die US-Ratingagentur Standard&Poors wertete Griechenland am Montag neuerlich um zwei Stufen auf B ab. Damit befindet sich das Euroland in Gesellschaft von Ländern wie Kamerun, Ghana und Bolivien. Weißrussland, Bangladesch und Mosambik werden liquider eingeschätzt. Die Aussicht für Griechenland sei zudem negativ, teilten die Auguren mit. Hintergrund sei die immer wahrscheinlicher werdende Umschuldung der fast 330 Milliarden schweren griechischen Außenstände. Mehr als 50 Prozent müssten die Abschläge ("Haircuts") für die Gläubiger wohl betragen, um auf ein bewältigbares Schuldenniveau zurückzukehren. Die beiden anderen großen Ratingagenturen Fitch und Moodys bewerten griechische Anleihen ebenfalls als Ramsch, jedoch noch graduell besser als Standard&Poors.
Annahmen zu optimistisch
Das Finanzministerium in Athen kritisierte die neuerliche Abwertung umgehend: Es habe seit der letzten Herabstufung vor einem Monat keine neuen negativen Entwicklungen gegeben, der Schritt der Ratingagentur sei daher nicht gerechtfertigt. Bonitätsbewertungen sollten auf objektiven Daten, Entscheidungen und realistischen Annahmen und nicht auf Gerüchten und Presseberichten beruhen. Damit spielen die Sprecher des griechischen Finanzministers Giorgos Papakonstantinou offensichtlich auf einen Bericht von "Spiegel Online" an, in dem über einen möglichen Euro-Austritt Griechenlands spekuliert worden war. Ein Szenario, das von allen Seiten als völlig haltlos zurückgewiesen wurde.
Sehr wohl musste Papakonstantinou aber einräumen, das die bisherigen Annahmen über die Rettung seines Landes zu optimistisch waren. Die für 2012 anvisierte Rückkehr auf die Finanzmärkte sei leider nicht machbar, und zwar auch 2013 noch nicht. Das Vertrauen der Märkte lasse das nicht zu; Athen brauche "alternative Mittel" - der Umfang der nächstes Jahr fälligen Staatsanleihen soll um die 30 Milliarden Euro liegen. Auch der Luxemburger Premier und Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker sowie der britische Schatzkanzler George Osborne hatten bereits öffentlich angekündigt, dass weitere Maßnahmen oder Änderungen des bisherigen Rettungspakets nötig sein würden. Das wurde zwar bereits seit längerem gemunkelt; durch die öffentlichen Ankündigungen der Spitzenpolitiker gewinnt die Situation allerdings neue Dynamik. Die Gerüchteküche angeheizt hatte zuvor, dass ein Treffen großer EU-Gläubigerländer letzten Freitag erst von Sprechern Junckers und der EU-Kommission zu vertuschen versucht worden war.
Offen scheint noch, wie den Griechen neuerlich unter die Arme gegriffen werden soll. Die kursierenden Varianten reichen von einer "Umschuldung light", bei der Zinsen nachgelassen und die Laufzeiten der Anleihen verlängert werden, bis zum massiven Haircut, wie ihn Standard&Poors in den Raum gestellt hat. Auch ein mögliches weiteres Hilfspaket für Griechenland wird kolportiert. Der Umfang könnte rund 25 Milliarden Euro betragen.
"Ökonomisch völlig unsinnig"
Drastische Schuldenabschläge werden von Experten vorerst eher nicht erwartet, weil die Kosten für die Gläubigerländer und -banken enorm wären. Noch schlimmer wäre bloß der von "Spiegel Online" ins Spiel gebrachte Euro-Ausstieg der Griechen. Abgesehen von den rechtlichen Problemen wäre das "der größtmögliche ökonomische Unsinn", sagte ein Sprecher des österreichischen Finanzministeriums.