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Griechenland ist Europa

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Der Wahlgewinner in Griechenland wird Alexis Tsipras heißen, die Frage ist nur, wie viel seine Linkspartei Syriza dazugewinnt. Der Wahl wurde eine Bedeutung zugeschrieben, die sie - bei allem Respekt vor den Griechen - nicht hat. Es war wieder einmal eine Anmaßung der deutschen Politik, die laut über einen sogenannten "Grexit" nachdachte, sollte Tsipras gewinnen. Denn er will einen Schuldenschnitt Griechenlands. Das komme nicht in Frage, tönte es aus Brüssel und den anderen europäischen Hauptstädten. Nun, den wird es geben, die Frage ist bloß, wie der Schuldenschnitt organisiert wird. 320 Milliarden Euro Schulden, 180 Prozent der (stark geschrumpften) Wirtschaftsleistung. Eine Arbeitslosenrate von 60 Prozent, die Vernichtung des Mittelstandes durch die EU-Sparvorschriften. Das ist Griechenland 2015.

Alexis Tsipras, auch wenn er radikale Töne anschlägt, nun zum europäischen Gott-sei-bei-uns zu stilisieren, ist daher ein großer Unsinn.

Viktor Orbán in Ungarn, Wahlerfolge von Marine Le Pen in Frankreich und Nigel Farage in Großbritannien sind gefährlicher für die politische Stabilität der EU als der Linkspopulist Tsipras. Er will Zwangs-Delogierungen per Gesetz erschweren. Ungeheuerlich, tönt es aus Brüssel. Leider war von derselben europäischen Politik wenig zu sehen und zu hören, als reiche Griechen zweistellige Milliardenbeträge ins Ausland verschoben und so den griechischen Banken schweren Schaden zufügten.

Die EU-Länder haben Griechenland vor dem Staatsbankrott bewahrt, das ist richtig. Sie haben damit aber auch europäische Großbanken, die fleißig Geld an Griechenland verliehen hatten, gerettet. Das griechische Sparpaket, das Ende Februar auslaufen könnte, hat dagegen auf die soziale Dimension zu wenig Rücksicht genommen. Nun wird die Rechnung präsentiert, in Form von Syriza.

Millionen Griechen werden sie am Sonntag wählen, obwohl sie weder Kommunisten, geschweige denn Linksradikale sind. Es ist der Aufschrei einer verzweifelten Bevölkerung, die nur noch Mangelverwaltung betreiben kann.

Das Gerede um einen Euro-Austritt Griechenlands Anfang Jänner war bloß ein Nachtreten auf einen am Boden Liegenden - unwürdig.

Europa ist nicht nur Ökonomie, sagte Italiens Regierungschef Renzi. Das ist klug. Ab Montag kann die europäische Politik das auch beweisen.