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Kärnten wird bei Anleihen künftig Risikoaufschläge zahlen müssen. | Kosten einer Bankensteuer zu Lasten der Kunden. | Politikergehälter wie Manager-Boni an Erreichen von Zielen koppeln. | "Wiener Zeitung": Bedauern Sie es, dass Sie nicht Wirtschaftsminister geworden sind? | Herbert Paierl: Ich werde immer ein politischer Mensch bleiben und sein, doch mit dieser Frage beschäftige ich mich eigentlich nicht. Das war vor eineinhalb Jahren ein Thema, aber ich bin überzeugt, dass die dann getroffene personelle Entscheidung völlig richtig war - auch für mich. Mit meiner jetzigen Situation bin ich jedenfalls sehr happy.
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Das könnte man auch so interpretieren, dass Sie froh sind, dass dieser Kelch an Ihnen vorübergegangen ist. In Krisenzeiten ist es ja nicht unbedingt einfach, echte politische Erfolge zu erzielen.
Betrachtet man Politik sehr konventionell, dann haben Sie vielleicht recht.
Beifall von Unternehmerseite erntet man normalerweise mit Steuersenkungen. Derzeit wird aber eher über das Gegenteil diskutiert, was einen Wirtschaftsminister nicht gerade beliebt macht.
Das würde ich so nicht sagen. Man wird sich sehr kreativ und intensiv mit neuen Wegen der Politik auseinandersetzen müssen, die dazu führen, dass der Wohlstand, den wir erreicht haben, nicht verloren geht; dass die Sozialstaatsfunktionen nicht völlig unfinanzierbar werden; und dass Wirtschaftwachstum erzeugt wird. Insofern glaube ich, dass der Anspruch an die Politik gerade aus der Krise heraus höher sein wird als je zuvor. Es kann nicht so wie in den letzten 20, 30 Jahren weitergehen, dass die öffentlichen Haushalte selbst in der Hochkonjunktur permanent mehr ausgegeben als eingenommen haben. Da braucht es Politiker, die auch Nein sagen können, und nicht aus opportunistischen Gründen immer nur Ja sagen.
Oder anders ausgedrückt: Es gilt, das Kunststück vorzuführen, Steuererhöhungen zu verordnen, ohne bei den nächsten Wahlen mit nassen Fetzen wieder aus der Regierung gejagt zu werden?
Bevor man über Steuererhöhungen diskutiert, sind zunächst Einsparungen gefragt. Jedes Unternehmen muss sich permanent an das jeweilige Umfeld anpassen - egal, ob es die Kosten, die Mitarbeiterzahl oder das Angebot betrifft. Und im öffentlichen Bereich soll das anders sein? Auch da müssen Anpassungen erfolgen. Wir sind ja ein Musterbeispiel für diese Notwendigkeit, weil wir ein Kleinstaat mit den Verwaltungsstrukturen einer Großmacht sind.
Über eine grundlegende Verwaltungsreform wird seit 30 Jahren diskutiert, geschehen ist aber bisher nichts. Warum soll das ausgerechnet jetzt anders sein?
Weil die Defizite bisher immer finanziert wurden. Der Finanzmarkt hat die öffentlichen Hände immer zu sehr, sehr günstigen Konditionen finanziert. Das ist jetzt vorbei. Insofern kann man sagen: Griechenland ist überall. Jetzt wird es saftige Risikoaufschläge für Staaten, Länder und Gemeinden geben, die nicht sparsam wirtschaften. Ich glaube beispielsweise nicht, dass sich Kärnten weiterhin ohne Zuschläge finanzieren können wird.
Häufig wird kritisiert, Österreich habe zu viele Verwaltungsebenen. Wenn dem so ist, welche dieser Ebenen - Bund, Land, Bezirkshauptmannschaften, Gemeinden - sollte wegfallen oder Kompetenzen abgeben?
Vor allem die Landesverwaltungen sind in ihrer gegenwärtigen Form obsolet. Die haben eigentlich nichts mehr zu tun. Das zeigt sich auch daran, dass die Landtage - wenn überhaupt - nur einmal im Monat zusammentreten.
Der Nationalrat tagt aber auch nicht viel öfter.
Ja, der hat auch nicht mehr viel zu tun, aber die Länder noch viel weniger, und das schon seit Jahren. In den Landtagen werden hauptsächlich völlig irrelevante Resolutionen formuliert und verabschiedet.
Die Bundesländer wollen Sie also nicht abschaffen, aber die Landtage und Landesregierungen auf zeremonielle Funktionen reduzieren?
Genau. Aber es ist durchaus sinnvoll, dass politisch starke Persönlichkeiten das jeweilige Bundesland als Landeshauptmann nach außen vertreten. Ich bin diesbezüglich ein Anhänger des US-Modells der Governors, die dem Bundesland ein Gesicht nach außen geben, wie das etwa Erwin Pröll in Niederösterreich macht. Aber was man nicht braucht, sind die komplexen und redundanten Verwaltungsabläufe. Da kann man viel Geld einsparen, weil sie überflüssig sind.
Sollten die inhaltlichen Kompetenzen der Länder an den Bund oder an die Bezirkshauptmannschaften und Gemeinden gehen?
An die Gemeinden. So könnte man etwa bei der Schulverwaltung, locker 10 bis 15 Prozent der Kosten einsparen. Das derzeitige, parteipolitisch durchdrungene, ungustiöse und auch teure System gehört einfach weg. Für Spitäler und Pensionsverwaltung gilt Ähnliches.
Und wie wollen Sie Landeshauptleute, Landesräte und Landtagsabgeordnete dazu motivieren, sich selbst zu entmachten?
Es geht nicht um Entmachtung, sondern um eine andere Form der Autorität. Ich bin dafür, dass es starke Führungspersönlichkeiten gibt, die zu Wahlen antreten und sagen: Ich will das derzeitige System abschaffen. Die Wirtschaftskrise ist ein aktueller Anlass dafür.
Solche Positionen könnten aber realistischerweise doch eigentlich nur von einer neuen Partei vertreten werden?
Oder außerparteilich von einer mittelständischen, bürgerlichen Plattform, die den Unmut sammelt. Das muss eine starke, glaubhafte Bürgerbewegung sein, die gerade dieses mittelständische Thema, dass die Bevölkerung nicht weiter gemolken werden kann und darf, aufgreift.
Aber Österreich ist als obrigkeitsorientiertes, korporatistisch organisiertes Staatswesen traditionell kein sehr fruchtbarer Boden für Eigeninitiative und neue Ideen.
Das ist richtig, was aber nicht heißt, dass dieser Zustand gut ist. Ich bin im Gegenteil überzeugt, dass uns das sehr behindert und im internationalen Kontext auch benachteiligt.
Deshalb plädiere ich dafür, dass Kreativität, Eigeninitiative und Unternehmertum im gesamten Bildungswesen gepflegt, gefördert, honoriert und öffentlich belobigt werden. Ich beobachte im Moment, dass die von der Wirtschaftskrise viel härter getroffenen nordamerikanischen Konzerne viel schneller wieder auf die Beine gekommen sind. Unsere Strukturen sind demgegenüber ziemlich lahm, unkreativ und rufen ewig nach dem Staat. Aber diese Rettungsversuche und politischen Interventionen sind schädliche Wettbewerbsverzerrungen.
Aber auch in den USA wurden Banken und zudem die Autoindustrie staatlich gestützt und aufgefangen.
Bei General Motors und Chrysler gab es Staatshilfen, aber erst nach einer Insolvenz. Man ließ die Unternehmen durchaus pleitegehen und hat sie dann aus der Pleite heraus wieder neu aufgebaut. Aber das ändert nichts daran, dass ich kein Fan interventionistischer Wirtschaftpolitik bin.
Die Entwöhnung von der Förderungs- und Subventionsdroge ist erfahrungsgemäß schwierig und schmerzhaft.
Genau. Das gilt für Banken genauso wie für andere Unternehmen. Mit staatlichen Hilfen kann man kurzfristig größeren Schaden vermeiden, was meines Erachtens durchaus zulässig ist. Aber permanent geht das nicht, weil das letztlich einer Verstaatlichung der gesamten Wirtschaft gleichkäme.
Außerdem ist es ungerecht und politisch unklug, einige Großfirmen zu retten und viele Kleine vor die Hunde gehen zu lassen.
Befürworten Sie es, dass die Banken für erhaltene Kapitalhilfen, für die sie ziemlich hohe Zinsen zahlen, jetzt auch noch mit einer zusätzlichen Bankenabgabe zur Kasse gebeten werden sollen?
Steuern, egal in welchem Bereich, sind zusätzliche Kosten, die irgendjemand - in der Regel der Kunde - tragen muss.
Sie halten den Wunsch des Vizekanzlers, dass die Bankenabgabe die Bankkunden nicht treffen darf, also für die Forderung nach der Quadratur des Kreises?
Wenn ich den Banken mit ihren Strukturproblemen noch zusätzliches Geld abknöpfe, geben sie diese zusätzlichen Kosten weiter. Oder sie stellen sich beim Finanzminister bei einem anderen Türl an und wollen einen Ausgleich dafür.
Sie waren lange Jahre Politiker, jetzt sind Sie seit einigen Jahren in unterschiedlichen Funktionen in der Privatwirtschaft tätig. Was sind die wichtigsten Unterschiede?
Macht man in der Wirtschaft weniger Umsatz und Profit, spürt man das als Manager auch am Konto. Ich bin dafür, dass man auch im öffentlichen Bereich Kriterien sucht und findet, von denen man finanzielle Kompensation abhängig macht. Wenn etwas gelingt, gibt´s mehr Gehalt, wenn etwas schiefgeht, gibt es weniger. Man sollte nicht immer nur auf die Manager hindreschen, sondern vielmehr Managementprinzipien für die Politik und öffentliche Verwaltung diskutieren. Steigen die öffentlichen Schulden, werden die dafür verantwortlichen Politiker dafür belohnt, indem sie weiter ihr unverändertes Gehalt bekommen.
Das Gehalt des Finanzministers oder eines Finanzlandesrats sollte von der Defizitquote abhängig sein?
Wieso nicht? In der Wirtschaft ist es üblich, dass Zielvorgaben formuliert werden. Und nur wenn die erreicht werden, gibt es den leistungsorientierten Gehaltsteil. Der Businessplan einer Regierung ist das Regierungsprogramm und das jeweilige Budget, der Rechnungsabschluss, ist die Bilanz. Und von der tatsächlichen Umsetzung der Vorhaben könnte man auch einen Teil des Gehalts von Regierungsmitgliedern abhängig machen - ein Drittel oder sogar die Hälfte des Gehalts gibt es nur dann, wenn die Ziele, die Budgets, auch tatsächlich erreicht werden.
Zur PersonHerbert Paierl wurde am 6. Mai 1952 im steirischen Prebensdorf geboren und studierte nach der Matura am BRG Gleisdorf Raumordnung und -planung an der TU Wien. Ab 1975 war Paierl vorerst am Grazer Institut für Umweltforschung tätig, von 1981 bis 1993 war er Mitarbeiter und dann Kabinettschef des damaligen steirischen Landeshauptmanns Josef Krainer. 1993 wurde Paierl zum Vorstandssprecher des Elektrizitätsunternehmens Steweag bestellt.
Ab 1996 gehörte er als Wirtschaftslandesrat der steirischen Landesregierung an. 2004 schied Paierl aus der Politik aus, gründete eine Consulting- und Beteiligungsfirma und trat in die Dienste von Cosma International, einer Tochter des Autozulieferkonzerns Magna. 2007 wurde er in den Vorstand der börsenotierten Beteiligungsgesellschaft UIAG berufen.
Seit Mai 2009 steht Paierl als Executive Vice President der europäischen Cosma-Gruppe erneut in Diensten des Magna-Konzerns. Neben seinen beruflichen Aktivitäten fungiert er auch als Präsident des Management Clubs.