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Griechenland muss sich das Vertrauen neu verdienen

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft

Finanzminister ringen um Hebel für Eurorettungsschirm.


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Brüssel. Mit Italien, Griechenland und der Hebelung des 440 Milliarden Euro schweren Rettungsschirms EFSF hatten die Eurofinanzminister bei ihrer Sitzung am Montagabend einige heiße Eisen anzufassen. Allerdings wurden vorerst keine Entscheidungen erwartet: "Ich gehe nicht von konkreten Beschlüssen aus", sagte der Luxemburger Premier und Eurogruppenvorsitzende Jean-Claude Juncker. Schon vor dem Treffen wurde eine weitere Sondertagung der Eurofinanzminister für nächste Woche Donnerstag angesetzt, um bis Monatsende einen Abschluss zu schaffen.

Auf dem Tisch der Minister lag auch wieder die Auszahlung der sechsten Notkredittranche über acht Milliarden Euro aus dem ersten Rettungspaket für Griechenland. Sie wurde zwar im Oktober grundsätzlich freigegeben. Als der gescheiterte griechische Premier Giorgos Papandreou Tage später ein Referendum über die Sparbemühungen ankündigte, wurde aber die Stopp-Taste gedrückt. "Die Vorfälle in Athen haben den Stand der Dinge geändert", sagte ein Sprecher von Wirtschaftskommissar Olli Rehn.

Das Referendum ist inzwischen zwar abgeblasen und in Griechenland sollte möglichst noch Montagabend eine Übergangsregierung ohne Papandreou das Ruder übernehmen. Die endgültige Freigabe der Kredittranche wurde aber noch nicht erwartet.

Goldreserven kein Thema

"Wir gehen davon aus, dass die neue Regierung schnell deutlich macht, millimetergenau einzuhalten, was (vom Eurogipfeltreffen) am 27. Oktober vereinbart wurde", so Juncker. Erst bis Mitte Dezember würden die Griechen das Geld benötigen, bevor sie unmittelbar in die Pleite rutschten - obwohl es zunächst geheißen hatte, diese Frist laufe Mitte September aus. Ein ausführliches Gesprächsthema sollte die verheerende Lage Italiens sein (siehe Seite 4).

Allenfalls Fortschritte sollte es bei der Hebelung des EFSF auf "ein Vielfaches" geben. Das sei unbedingt notwendig, um ein Übergreifen der Krise auf andere Länder in Europa -wie sie bereits stattfinde - zu verhindern, sagte Rehn. Dabei handle es sich aber um einen "irrsinnig komplizierten juristischen Gesamtkomplex", meinte Juncker. "Endgültige Festlegungen" werde es daher noch keine geben. Laut den Beschlüssen des Eurogipfels sollten die Varianten auf zwei Konzepte oder eine Kombination der beiden eingegrenzt werden. Eine wäre eine Art Versicherungslösung, bei welcher der EFSF für einen Anteil von zum Beispiel 20 Prozent des Nennwerts von Euro-Staatsanleihen haften und diese dadurch für Investoren attraktiver machen würde. Ein Euro aus dem EFSF brächte fünf Euro in die Kassa von Eurostaaten mit Refinanzierungsproblemen.

Die andere Variante wäre die Etablierung ein oder mehrerer "Sonderfinanzierungsgesellschaften", an denen sich der Internationale Währungsfonds (IWF) oder Staatsfonds mit Toprating beteiligen und so die EFSF-Mittel aufstocken könnten. Unisono erklärten Juncker, der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und die österreichische Ressortchefin Maria Fekter, dass ein Heranziehen von Goldreserven der Notenbanken nie zur Debatte gestanden sei. "Man darf nicht Goldreserven und Sonderziehungsrechte, eine Art Kunstwährung des IWF, verwechseln", so Schäuble. Das erhöhe nur unnötig die Unsicherheit auf den Märkten.

BRICS wollen IWF-Reformen

Dass die großen Schwellenländer allerdings wenig Lust darauf haben, sich direkt bei der Eurorettung zu engagieren, zeigte ein Besuch von IWF-Chefin Christine Lagarde in Moskau am Montag. Zwar könne sich Russland mit bis zu 10 Milliarden US-Dollar (7,25 Milliarden Euro) an einer Euro-Stabilisierung beteiligen, meinte ein Berater des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew. Allerdings sei ein Engagement über den IWF die klar zu bevorzugende Variante, meinte Außenminister Sergej Lawrow - und verlangte im Gegenzug eine IWF-Reform.

Dabei handle es sich um eine abgestimmte Position der großen Schwellenländer oder BRICS-Staaten, wie sie im Jargon genannt werden. Das Kürzel steht für Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.