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Griechenland-Paket - eine Missgeburt?

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.

Ein Teil des "geborgten" griechischen Wachstums muss jetzt wieder zurückgegeben werden. Gleichzeitig sollten die Griechen ihre Chance nutzen.


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Kurt Bayer, österreichischer Vorstandsdirektor in der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), hat in seinem regelmäßigen Blog das jüngste Griechenland-Paket als eine nicht lebensfähige Missgeburt bezeichnet. Ist eine solche Qualifikation gerechtfertigt? Der Hauptkritikpunkt am Griechenland-Paket ist der des "Zu Tode Sparens". Das Sparprogramm führt zu Rezession, sinkenden Steuereinnahmen und hoher Arbeitslosigkeit und verhindert damit die Erreichung des Ziels, Griechenland bis 2020 wieder kapitalmarktfähig zu machen. Leuchtendes Vorbild für Europa sollen die USA sein. Trotz einer Schuldenquote von 100 Prozent fahren sie eine expansive Budgetpolitik und erzielen ein bescheidenes Wirtschaftswachstum. In einigen Jahren werden wir die Ergebnisse dieser Politik sehen, wenn die USA trotz ihrer privilegierten Position im Weltwährungssystem von den Finanzmärkten abgestraft werden.

Zuerst ist festzuhalten, dass Griechenland nach dem Beitritt zur Währungsunion die Bonanza niedriger Zinsen nicht dazu genützt hat, durch kreditfinanzierte Investitionen und Strukturreformen seinen Wirtschaftsstandort zu stärken, sondern das alte System aufrechtzuerhalten: Aufblähung des öffentlichen Dienstes, zusätzliche Sozialleistungen, Steuerflucht, überhöhte Militärausgaben, Korruption. Nun führt kein Weg daran vorbei, einen Teil des "geborgten" Wachstums vergangener Jahre wieder zurückzugeben. Für den anderen Teil kommen ohnehin private Gläubiger und ausländische Steuerzahler auf. Die weitgehende Nichterfüllung der Auflagen des ersten 110-Milliarden-Euro-Rettunspakets führte zu einem massiven Vertrauensverlust in den Gläubigerländern und damit zu den strengen Kontrollmechanismen des aktuellen Pakets, wie permanente Überwachung durch Vertreter der Troika vor Ort, Einrichtung eines Sperrkontos für Schuldendienstleistungen etc. Und genau dieser Vertrauensverlust lässt private und öffentliche Investoren zögern, sich in Griechenland zu engagieren und damit die restriktive Wirkung des Sparpakets abzufedern. Erfahrungen aus vergangenen Schuldenkrisen zeigen, dass die kluge Umsetzung eines Sparprogramms wie des griechischen - wenngleich mit Verzögerungen - erhebliche Wachstumsimpulse auslösen kann: Unproduktiver Ressourceneinsatz wird abgebaut, Arbeitslose schaffen sich neue wirtschaftliche Existenzen, die Steuer- und Kapitalflucht wird eingedämmt, Direktinvestitionen aus dem Ausland strömen ins Land, qualifizierte Emigranten kehren zurück.

Es geht nicht darum, die "faulen" Griechen "abzustrafen". Es geht darum, durch eine nachhaltige Bewusstseins- und Kulturveränderung Griechenland für den internationalen Wettbewerb fit werden zu lassen und das Selbstbewusstsein des Landes wieder herzustellen. Das jüngste Hilfspaket bietet eine faire Chance dazu. Nutzen müssen sie die Griechen selbst. Sollten die Pessimisten Recht behalten, wird Griechenland wohl aus der Eurozone ausscheiden müssen. Die Währungsunion wird trotz aller Unkenrufe daran nicht scheitern.