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"Wir blicken beide in dieselbe Richtung." | Stabile Region als gemeinsames Ziel. | Athen. Das gemeinsame Interesse am Westbalkan lässt Österreich und Griechenland enger zusammenwachsen. Sind doch beide Länder an entgegengesetzten Enden Nachbarn der Region, die, wenn es nach ihnen geht, so bald als möglich Anschluss an die EU finden soll.
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"Die grundlegende Frage ist immer, wohin ein Land schaut", erklärte Botschafter Emil Brix das zunehmende austro-hellenische Naheverhältnis, bei einem österreichisch-griechischen Symposium am Wochenende in Athen. "Während unser unmittelbarer Nachbar, die Schweiz, beispielsweise gen Westen schaut, blicken wir in die entgegengesetzte Richtung: den Balkan." Und genau dort treffen die Blicke Österreichs und Griechenlands einander.
Vorrangiges Ziel der beiden Länder ist es derzeit, die Stabilisierung der Lage in der Region bestmöglich voranzutreiben. Doch das ist angesichts der durchwachsenen Ethnien-Vielfalt leichter gesagt als getan.
Gerade der Balkan zeige heute, wie gefährlich es ist, eine Integration über ethnisch-nationale Wege zu führen, sagte Josef Marko von der Karl-Franzens-Universität in Graz. Schließlich seien Grenzziehungen hier besonders schwierig. "Schon mit Montenegro haben wir geglaubt, ein nationales Atom am Balkan gefunden zu haben", so Marko. Doch zeige sich, dass auch in Montenegro noch eine Vielzahl unterschiedlicher ethnische Gruppen existiere.
Integration über Kultur
Ebenso wären Brix zufolge rein wirtschaftliche Integrationsversuche zum Scheitern verurteilt. Das habe zwar in der Vergangenheit der EU recht gut geklappt. Doch falle das unterstützende Element des einenden Feindes jenseits des Eisernen Vorhangs seit Ende des Kalten Krieges weg.
"Früher glaubte man auch nicht, eine gemeinsame europäische Identität schaffen zu können", sagte der österreichische Spitzendiplomat. Das sei mittlerweile anders. Die neue Zauberformel lautet für ihn daher: Kulturelle Integration.
Nur über das Bekenntnis zu einer gemeinsamen Identität könne eine nachhaltige Integration gelingen. Von Österreich und Griechenland gemeinsam ausgearbeitete Projekte sind hier bereits in der Endphase. So dürften beispielsweise demnächst gemeinsame Schulbücher am Balkan vom Stapel laufen. Auch ein Balkan-Filmfestival wird Athen, Wien und Berlin durchlaufen.
Während heute die Kooperation am Balkan zwischen Österreich und Griechenland wie geschmiert läuft, war die Situation in der Vergangenheit diametral entgegengesetzt. So habe die Habsburgermonarchie im 19. Jahrhundert und Ende des 18. noch versucht, die Entstehung des griechischen Staates zu hintertreiben, sagte Botschafter Constantinos Ailianos vom Außenministerium in Athen. Schließlich fürchtete die Habsburgermonarchie durch eine Loslösung der Hellenen vom Osmanischen Reich eine gewisse Vorbildwirkung für "ihre Völker".
Daher lieferte Österreich-Ungarn 1798 den griechischen Freiheitshelden Rhigas Pheraios, an die osmanischen Behörden in Belgrad aus, wo Rhigas Pheraios hingerichtet wurde. Er hatte in Wien die "Charta von Hellas" verfasst, die ein Verfassungsentwurf eines demokratischen, vom Osmanischen Reich unabhängigen, föderativen Balkanstaates war.
Erst nach der Errichtung des griechischen Staates erkannte die Habsburgermonarchie das Potential Griechenlands, einerseits die panslawistischen Bestrebungen Russlands am Balkan zu hintertreiben und andererseits als Puffer vor dem Osmanischen Reich zu fungieren. Von da an setzte sich der freundschaftliche gemeinsame Kurs der beiden Länder durch.
Streit um "Mazedonien"
Aber auch heute müssen Österreich und Griechenland offenbar noch Detailarbeit bei der gemeinsamen Linie am Balkan verrichten. Denn bei dem Symposium kam es zu einem handfesten Streit, nachdem einer der Vortragenden bei der Erwähnung Mazedoniens den Zusatz "Former Yugoslav Republic of" vergessen hatte. Laute Proteste waren die Folge, in denen griechische Teilnehmer sich verbaten, dass in ihrem Land ein Staat mit demselben Namen bezeichnet werde, wie eine griechische Region.
Hintergrund ist die Furcht Griechenlands vor einer Bedrohung der Integrität seines Territoriums. Diese Furcht wird von der neuen Balkanrepublik auch fleißig genährt. So beruft sich das Land in der Präambel seiner Verfassung auf die Tradition, die die Schaffung eines einheitlichen großmazedonischen Staates vorsieht. Erst vor kurzem benannte die Hauptstadt Skopje ihren Flughafen nach Alexander den Großen und schürt so weiter die Furcht Griechenlands.
Doch auch hier zeigen sich Parallelen zu Österreich, wo manch einer nicht ganz glücklich darüber war, dass Slowenien auf seine Euromünzen den Fürstenstein und die Lippizaner prägt.