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Griechenlandhilfe: Auch die Banken sollen zahlen

Von WZ Online

Europaarchiv

Ratingagenturen skeptisch zu "freiwilligem" Anleihe-Tausch. | Berlin/Brüssel/Wien. Im Kampf gegen eine Pleite Griechenlands wollen die Regierungen der Eurozone nach Informationen des "Wall Street Journal" die Banken mit 30 Milliarden Euro zur Kasse bitten.


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Unter Berufung auf ranghohe Offizielle berichtete das Blatt am Sonntag in seiner Online-Ausgabe, darauf hätten sich die 17 Regierungen der Euroländer in einer "vorläufigen Vereinbarung" über ein neues Hilfspaket für das angeschlagene Land an der Ägäis geeinigt.

In Brüssel war am Sonntag keine Bestätigung zu erhalten. Ein Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte zu dem Bericht: "Keinesfalls. Das ist unbegründet." Einer solchen Einigung müssten alle EU-Finanzminister zustimmen. In EU-Kreisen war zu hören, es seien mehrere Szenarien im Gespräch - und dieses könne eines davon sein. Einen Konsens gebe es aber noch nicht.

Dem "WSJ" zufolge will die Eurogruppe Gläubiger ermuntern, bald auslaufende Anleihen gegen Anleihen mit einer längeren Laufzeit auszutauschen. "Private Investoren würden einen starken Anreiz bekommen, sich zu beteiligen - denn, wenn sie sich verweigern, würde das zu einem Zahlungsausfall (default) führen", wird ein Offizieller zitiert. Eine solche Konstruktion wird als "weiche Umschuldung" bezeichnet.

Banken sollen zahlen

Laut "Spiegel" will vor allem Deutschland beim zweiten Rettungspaket für Griechenland neben den Steuerzahlern diesmal auch die Banken zur Kasse bitten. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble beharre auf einem erheblichen Beitrag der privaten Gläubiger. Ein von seinen Beamten entwickeltes Modell sieht einen freiwilligen Umtausch von Staatsanleihen in Papiere mit siebenjähriger Laufzeit vor. Wie viel Geld das hoch verschuldete Land noch braucht, blieb am Wochenende unklar. Muss es noch drei Jahre am Tropf von IWF und Euro-Zone hängen, könnten es über 100 Mrd. Euro werden.

Der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB), Erich Foglar, sieht keine Alternative zu den Hilfen für das pleitebedrohte Griechenland. Am Freitag bekam Athen zunächst einmal das Okay für die dringend benötigte nächste Tranche von 12 Milliarden Euro von EU und IWF. Der ÖGB habe diese Hilfsmaßnahmen immer befürwortet, sagte Foglar am Sonntag in Wien in der ORF-Pressestunde. Würde die Unterstützung nicht gewährt, wäre "die Konsequenz für Europa, für viele Banken, für uns alle, noch viel schlimmer". Er erinnerte an den Dominoeffekt, den der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman auf die Finanzmärkte hatte.

Voraussetzung

Die Regierungen der Eurozone würden Griechenland für die nächste Hilfsrunde frisches Geld aus dem Euro-Rettungsfonds EFSF zur Verfügung stellen, heißt es im am Sonntag verbreiteten WSJ-Bericht weiter. Voraussetzung dafür sei aber, dass Banken, Pensionsfonds und andere Finanzinvestoren zum Anleihen-Tausch bereit sind, um Griechenland über die nächsten drei Jahre zu helfen.

Griechenland war als erstes Euroland 2010 - noch vor Gründung des EFSF - mit einem 110 Mrd. Euro schweren Hilfsprogramm von EU und Internationalem Währungsfonds vor dem Abgrund gerettet worden. Damals war davon ausgegangen worden, dass Griechenland von 2012 an wieder selbst Geld am Kapitalmarkt aufnehmen kann. Dies gilt inzwischen als unrealistisch, so dass ein neues Hilfspaket nötig wird. Dem "Der Spiegel" zufolge halten Experten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF aber auch mehr als 100 Milliarden Euro für möglich, falls Athen auch 2013 und 2014 auf fremde Hilfe angewiesen sein sollte.

Beteiligung

Als zentraler Streitpunkt gilt die Beteiligung des privaten Sektors an den Hilfen. Dies war bisher weder bei der laufenden Griechenland-Hilfe noch bei den EFSF-Hilfen für Irland und Portugal vorgesehen. Erst beim EFSF-Nachfolgefonds ESM ab 2013 sollen ausdrücklich private Geldgeber mit ins Boot geholt werden können.

Dem "Spiegel" zufolge soll der deutsche Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen bei einem Treffen von Spitzenbeamten der Eurozone mit einer griechischen Staatspleite gedroht haben, sollten nicht auch private Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Dies sei nötig, um die Zustimmung des Deutschen Bundestages zu einem neuen Programm zu bekommen. "Asmussen hatte strikte Anweisung von Finanzminister Schäuble, keiner Lösung zuzustimmen, bei der Privatanleger ungeschoren davonkommen." Damit habe er aber "allein gegen den Rest der Eurozone" gestanden.

Nach einem Bericht der "Welt am Sonntag" wird im Finanzministerium in Berlin eine Verlängerung aller ausstehenden Griechenland-Anleihen für sieben Jahre vorgeschlagen. Die "WamS" zitiert dabei aus einem internen Papier des Ministeriums zur Einbeziehung des privaten Sektors (PSI) bei den Kosten der Krise.

Kreditausfallversicherungen

Der "WamS" zufolge wird es für möglich gehalten, den Anleihentausch so zu konstruieren, dass er von Ratingagenturen nicht als Zahlungsausfall oder "Kreditereignis" (default) interpretiert werden kann. Dieses würde Leistungen von Kreditausfallversicherungen ("Credit Default Swaps") nach sich ziehen. Am Finanzmarkt werden für diesen Fall erhebliche Marktverwerfungen für möglich gehalten. Ein Sprecher sagte zu dem Bericht, interne Papiere, die nach außen gegeben würden, würden nicht kommentiert.

Eine Einbeziehung der Banken in ein zweites Hilfsprogramm gilt als ist heikel, weil eine Kettenreaktion in ihren Bilanzen droht. So warnt die Ratingagentur Standard & Poor's, wenn private Gläubiger de facto zu einem freiwilligen Forderungsverzicht genötigt würden, weil ihnen sonst noch höhere Ausfälle drohten, würden die Staatsanleihen mit dem Ausfall-Status "default" versehen. Die Papiere müssten dann in den Bilanzen abgeschrieben werden. Die Folge könnten neue Bankenschieflagen in ganz Europa sein. (APA/dpa/Reuters)

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