Albanien-Kenner Prochazka über Griechenlands Rolle am Balkan.
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"Wiener Zeitung": Was ist der Hauptgrund für die Rückkehr der albanischen Emigranten in Griechenland nach Albanien?
Einmal wirtschaftliche Perspektivlosigkeit. Die Rückkehrer waren zumeist im Bausektor beschäftigt, und der ist in Griechenland massiv von der Krise betroffen. Im Vorjahr sind bereits 30.000 Albaner zurückgekehrt, heuer rechnet man mit 60.000 oder sogar mehr Menschen. Das sich verschärfende politische Klima in Griechenland, eine abwehrende, ja rassistische Haltung gegenüber den Albanern trägt zusätzlich zur Abwanderung dieser Menschen bei.
Was bedeutet das für Albanien? Mehr Arbeitslose oder einen positiven Effekt, weil die Rückkehrer ihr in Griechenland verdientes Geld im Land investieren?
Letzteres kann es schon geben - aber wohl nur kurzfristig, eben als Effekt, der rasch verpuffen wird. Die traurige Wahrheit ist, dass Albaniens Wirtschaft, die sehr viel importiert und fast nichts exportiert, auf die Geldsendungen der Auslandsalbaner angewiesen ist. Zwar arbeiten Albaner nicht nur in Griechenland, sondern beispielsweise auch in Mitteleuropa. Aber der Anteil derer, die nach Griechenland ausgewandert sind, ist schon enorm.
Wie wichtig ist Griechenland generell für Albanien?
Die Rolle Griechenlands kann gar nicht überschätzt werden: 2005, vor der Krise, kamen zum Beispiel noch 55 Prozent aller ausländischen Direktinvestitionen in Albanien aus dem südlichen Nachbarstaat. 2011 waren es nur noch 27 Prozent. Dennoch liegt Griechenland damit immer noch klar vor Italien und Österreich mit 15 beziehungsweise 14 Prozent. Wenn aber die griechischen Banken in den Bankrott schlittern, werden die Folgen auch in Albanien massiv sein. Auch dann, wenn Griechenland zur Drachme zurückkehren und damit massiv abwerten müsste. Dazu ist die Lage in Albanien selbst nicht rosig: Schon jetzt, im ersten Quartal 2012, ist die albanische Industrie um 19,3 Prozent eingebrochen.
Welche politischen Folgen dieser Entwicklung erwarten Sie in Albanien?
Nun, im Sommer 2013 stehen Parlamentswahlen vor der Tür - da kommt die Krise für Präsident Sali Berisha und seine Demokraten denkbar ungelegen. Der oppositionelle Sozialisten-Chef Edi Rama könnte von der Krise profitieren. Zwar wurde in Albanien noch nie ein Wahlergebnis von beiden Seiten anerkannt. Der Verlierer vermutete stets Wahlbetrug. Dennoch fanden Machtwechsel statt: Albanien gilt als extrem prowestlich, da kann sich das Land ganz einfach keine Fälschungen im großen Stil leisten.
Zur Person
MartinProchazka
ist politischer Analyst mit den Schwerpunkten Albanien, Kosovo und Serbien.